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Behämmert ist das neue Schwarz

Von Patrik Etschmay­er - Man stelle sich diese Szene vor: Ein Auto­her­steller, der für bil­lige, qual­i­ta­tiv fragliche Fahrzeuge bekan­nt ist, und dessen Her­stel­lungsqual­ität in den let­zten Jahren sog­ar noch schlechter gewor­den ist, stellt ein neues Mod­ell vor, dessen Motor schon bei der Fahrt auf die Show­bühne in Flam­men aufge­ht. Während die Karre noch vor sich hin kokelt und qualmt, tritt der CEO der Fir­ma vor die ver­sam­melte Fach­presse und verkün­det, dass das rauchende Wrack, das zuver­läs­sig­ste und beste und kom­fort­a­bel­ste Auto sei, dass je gebaut wor­den ist. Und wenn das jemand bezwei­fle, werde die Event-Secu­ri­ty allfäl­lige Zwei­fler sofort rauss­chmeis­sen.

Die Behaup­tung von Recep Tayyip Erdo­gan, dem zukün­fti­gen Sul­tan von Ankara, dass die Türkei die beste Demokratie habe, ist auf dem etwa gle­ichen Niveau ange­siedelt. Dass seine Anhänger jubeln, ist klar. Dass Trump Erdo­gan grat­ulierte, war auch nur logisch (ver­mut­lich bere­it­et er jet­zt ein ähn­lich­es Ref­er­en­dum vor). Und dass diverse EU-Poli­tik­er befan­den, dass die ohne­hin schon klin­isch toten und in einem Prozess fort­geschrit­ten­er Ver­we­sung befind­lichen EU-Beitrittsver­hand­lun­gen mit der Türkei jet­zt endgültig gescheit­ert seien, war nur das Kon­sta­tieren des ver­dammt Offen­sichtlichen.

Der Sul­tan und sein (ver­mut­lich nur durch Wahlfälschung zus­tande gekommenes) Ref­er­en­dum sind dabei vor allem Aus­druck dessen, dass «behäm­mert» die neue Trend­farbe der poli­tis­chen Land­schaft ist. Dabei dienen Aus­län­der (ob im Aus­land oder als Immi­granten) allen­thal­ben als die grossen Bösewichte für Rechtsparteien. Und die aggres­siv­en Rechtsparteien sind die per­fek­te Bedro­hung für Immi­granten-Com­mu­ni­ties, welche wiederum ihre Heimat in der Fremde in ultra-nation­al­is­tis­chen und ‑religiösen Parteien aus der Heimat find­en. Wie es eben in vie­len Län­dern Wes­teu­ropas passiert ist. Über­all dort, wo auf Druck von rechts auf Erdo­gans Pro­voka­tio­nen beson­ders rabi­at reagiert wurde, gewann die AKP beson­ders hoch. So wur­den die AKP-Nazis von heimis­chen Recht­sauslegern gestärkt und die wiederum stärken diese in ein­er kreis­chen­den poli­tis­chen Rück­kop­plungss­chleife: eine fast per­fek­te Sym­biose sich ver­ab­scheuen­der Organ­is­men.

Hass macht eben Stim­mung. Und Stim­mung ist in Demokra­tien die Essenz zum Macht­gewinn. Marine Le Pen betet ver­mut­lich jede Nacht darum, dass es wieder einen bluti­gen islamistis­chen Anschlag gibt. Und Islamis­ten beten garantiert darum, dass – wo immer möglich – recht­spop­ulis­tis­che Het­zer an die Macht kom­men. Radikale lieben gegen­seit­i­gen Hass. Klare Feind­bilder – egal, wie weit sie von der Real­ität ent­fer­nt sind – kön­nen in der Poli­tik nicht mal mit Gold aufge­wogen wer­den.

Zumin­d­est, wenn über­all genü­gend Angst und Unsicher­heit herrscht. Und dafür ist derzeit ja aus­re­ichend gesorgt. Zum Teil durch die steigende Radikalisierung in der Poli­tik, zum Teil durch schlichte Angst-Pro­pa­gan­da und nicht zulet­zt durch immer grössere gesellschaftliche Ungle­ichgewichte und demografis­che Prob­leme.

Gemäs­sigte, lösung­sori­en­tierte Stim­men wer­den dabei nicht mehr gehört. Oder sie wer­den – wie in der Türkei – zum Schweigen gebracht. Wenn die Pop­ulis­ten die Macht erst mal wirk­lich gesichert haben, ist alles zu spät. Wie es am Schluss rauskommt, hängt natür­lich vom Land ab und dessen Möglichkeit, allen­falls einen Krieg zur Selb­stret­tung (wie wei­land Hitler) anzuzetteln. In Venezuela, wo der pop­ulis­tis­che Bull­shit vor fast zwanzig Jahren in grü­nen Tar­nanzü­gen und mit Fallschir­mjäger-Berets seinen ersten Auftritt hat­te, reichte es wenig­stens nicht dazu. Unter­dessen wird dort der Pop­ulis­mus von einem schmieri­gen Ex-Bus­fahrer in hässlichen Hem­den weit­er­be­trieben und es bietet sich kein schön­er Anblick:

Eines der reich­sten Län­der der Welt, wenn es um Rohstoffe und Naturschön­heit­en geht, liegt am Boden, darbt nahe dem Staats­bankrott, während sich die «Ret­ter des Volkes» wie Napf­muscheln an die Reste ihrer Macht geheftet haben. Zer­fal­l­ende Infra­struk­tur, galop­pierende Infla­tion (derzeit «nur» 1000 %), Kor­rup­tion an allen Eck­en und Enden und der Zusam­men­bruch der öffentlichen Sicher­heit bei der gle­ichzeit­i­gen Demon­tage aller noch funk­tion­ieren­den Struk­turen, da diese durch ihre alleinige Exis­tenz die Machthaber ad absur­dum führen. Auf dem Weg dor­thin: Ver­staatlichun­gen, Enteig­nun­gen, Kam­pag­nen gegen Fremde, absurde Ein­fuhrsper­ren, provozierte Kon­flik­te mit Nach­barstaat­en, der­weil die Mächti­gen des Lan­des von Mil­lionären zu Mil­liardären wur­den und sich zum Teil als Dro­gen­grossis­ten einen Neben­ver­di­enst sich­ern.

Und ja: Das wird – mehr oder weniger krass – über­all passieren, wo sich Pop­ulis­ten die Macht sich­ern. Ganz ein­fach, weil solche Leute nur für sich und ihre Klien­tel arbeit­en und einen feucht­en Dreck auf ihre Wahlver­sprechen und das so genar­rte Volk geben. Doch offen­bar ist es modisch, dumm wie Brot zu wählen. Däm­lich scheint eben wirk­lich das neue Schwarz zu sein.

 

Artikel online veröffentlicht: 26. April 2017