Als ich 2009 zum erstenmal von meinem Verlag zur Buchmesse eingeladen wurde, staunte ich über die grosse Länderecke im Saal 4.1: Die Schweizer BuchhändlerInnen und VerlegerInnen-Verband leistet sich immer Donnerstags um 11 Uhr einen appetitlichen Empfang mit viel Schweizer, Österreichischer, Deutscher und Liechtenstein’scher Prominenz. Wie immer bei solchen Anlässen gibt es einen inneren Kreis von Schriftstellenden, der dazugehört und den Ton angibt. Wie immer fühl ich mich etwas fremd, obwohl ich ja eigentlich “dazugehöre”. Doch irgendwie sind mir einige Managerinnen und Manager des Kulturbetriebs suspekt. Da lob ich die unterschiedlichen, vielfältigen Verlegerinnen und Verleger, grosse und kleine der Schweiz, die wirklich noch Bücher machen, sie vertreiben, nicht nur über Finanzen reden, sondern eine Vielfalt an Schrift- und Lesegut gestalten, die grosse Freude macht. Die bürokratischen Verteiler indessen, diejenigen, die verwalten statt gestalten, verdienen meine Skepsis. Sie sind in den letzten Jahren sehr mächtig geworden und behandeln Kultur als Insignium der Macht statt der Bildung. Bücher sind nicht mehr Inspiration, sondern Big Business oder sollen für die “Standortwerbung” herhalten. Schrecklich kurzsichtig, dies alles. Dabei wäre die Abwesenheit des Staates (ausser einer grosszügigen Finanzierung, die Unabhängigkeit garantiert) unendlich wichtig. Doch leider wird sie immer häufiger durch Subventionsvorgaben, bürokratisches Neusprech und manchmal sogar ekligen Schikanen bedroht. Freiheit im Kulturbetrieb ist immer die Freiheit der Andersschreibenden — doch sie droht unter dem Druck der Renationalisierung und staatlicher Bevormundung von allen parteipolitischen Seiten, mehr und mehr zur “Freiheit” im Staatsdienst zu verkommen. In der Schweiz gilt mehr als anderswo: Unabhängigkeit hat immer einen Preis und meist den, nie einen Preis zu kriegen.
Doch trotz dieser Kritik gilt festzuhalten: Die Schweizer VerlegerInnenszene und der Schweizer Buchhandel ist faszinierend bunt, mehrsprachig und reich an eindrücklichen Verleger- und Buchhandelspersönlichkeiten… ‚die man in Politik und Verwaltung oft schmerzlich vermisst.
Ein kleines Postskriptum zu schreibenden Menschen mit Menstruationshintergrund: Der Schweizer Literaturbetrieb ist nach wie vor HERRschaftssache.