Wolf Biermann redet nicht mit dem Literaturkritiker, sondern mit dem Publikum, was ihn sehr amüsant, wenn auch etwas langatmig macht. Poesie und Lieder sind Biermanns Metier: Romane nicht. Und doch liest sich seine Biographie flüssig, schnell, beeindruckend und sehr tragisch verwühlend (ein Stämpfliism, sorry). Dass er einen so dicken Wälzer geschrieben hat, ist nur seiner Frau Pamela zu verdanken. Sie hat den Trick geschafft, Biermann zu Puzzles zu verführen, die sich dann zum Lebenswerk verdichteten. Lachen kann man bei der Biografie. Beispielsweise mit Sven Michaelsen, der ein prickelndes Gespräch mit dem Liedermacher für das Magazin der Süddeutschen geführt hat. Dort schreibt Michaelsen (der meiner Meinung nach der allerbeste Interviewer im deutschsprachigen Raum ist): “Ich musste auf Seite 185 der Biermann-Memoiren lauthals lachen. Als der Liedermacher 1965 in der Wohnung seiner damaligen Geliebten Eva-Maria Hagen aufkreuzte und ein DDR-kritisches Lied sang, hörte ein 10jähriges Mädchen in der Uniform der Jungen Pioniere zu. Nach den ersten Strophen kreischte das Kind: “Du sollst meinen Walter Ulbricht nicht ärgern!” Das wütende Mädchen hiess Nina Hagen.”
Biermann hat wahrhaft nicht nur einen Schelmenroman geschrieben, sondern er lebt es auch auf der Bühne als Schelmenleben.
Das Selbstgespräch Biermann auf dem Blauen Sofa (der Interviewer hat sich völlig abgehängt) birgt Sätze wie:
“Es blieb mir nichts anderes ulbricht” ‚“In einer Diktatur ist der geile Sound der der Nicht-Einsamkeit” — “Rauschen als Lebensmotto”, “Je älter man wird, ist immer weniger wichtig, was Eltern aus einem gemacht haben, sondern man mischt sich immer mehr in die eigenen Eigenheiten ein.” “Seelenbrot, das ich gebacken habe, muss frisch gegessen werden. Es ist nicht nur die Geld- und Ruhmesgier, sondern der banale Wunsch zu teilen.”“Das Verbot war früher meine beste Reklame und der Mangel. Gedichte wurden von Hand abgeschrieben. Dann ist es schon auswendig gelernt. Gedichte als Überlebenshilfe.”
Tja. Gestern dachte ich aber erneut: Poeten soll nicht hören, sondern lesen. Hören nur, wenn sie singen.