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Das grosse Geheimnis des Herrn Roberto Di Pasquale

Von Lukas Vogel­sang Ein­mal mehr wird ensuite – kul­tur­magazin ein Enthül­lungs­magazin und hat inner­halb ein­er Woche ein paar Men­schen vor einem finanziellen Schiff­bruch gerettet – und ein Unheil abgewen­det. Die hier vor­liegende Geschichte ist sowas von absurd, dass wir sel­ber lange Zeit gezweifelt haben. Eigentlich wäre alles nicht son­der­lich inter­es­sant, wenn nicht viele grosse Fir­men, Namen und bekan­nte Per­sön­lichkeit­en involviert wären, die sich täuschen liessen.

Es ist Fre­itag, 14.09.2012, 15:31 Uhr, das Woch­enende klopft an die Türe, und die Redak­tion füllt sich mit Freizeitgedanken. Am Tele­fon spricht ein Herr Rober­to Di Pasquale (Anm. 28.5.2018 — Heute nen­nt er sich Robert Flück­iger), mit auf­fal­l­end hoher Stimme, und eröffnet mir, dass er soeben von ein­er berühmten Per­sön­lichkeit den Tipp für ensuite – kul­tur­magazin erhal­ten habe, und er sich gerne mit uns über seine näch­ste Pro­duk­tion unter­hal­ten würde. Nach ein­er anstren­gen­den Woche bin ich für Stre­ichelein­heit­en anfäl­lig. Natür­lich frage ich nach dem berühmten Namen und zünde mir in Gedanken eine Zigarre an: Es ist Mar­tin Suter. Ich bin etwas sprach­los. Mar­tin Suter soll ein ensuite- Leser sein? Ich bin über­rascht (Lieber Mar­tin Suter, ich lasse mich gerne des Besseren belehren…). Und dann begin­nt Rober­to Di Pasquale sein feines, geheimnisvolles Netz auszuw­er­fen.

Rober­to Di Pasquale ist der Pro­duzent der Komödie «Über den Din­gen» von Mar­tin Suter, welche im Kul­tur- und Even­thaus der EWZ (Elek­triz­itätswerke Zürich) aufge­führt wer­den soll. ensuite – kul­tur­magazin wird dafür als Medi­en­part­ner ange­fragt. Im Anschluss an das Tele­fonat sendet er mir eine e‑Mail mit ein­er PDF-Datei. Es zeigt nur die Pro­gramm­plakate zum Stück. Ich bin über­rascht, hier ste­ht: Das The­ater­stück von Mar­tin Suter wird begleit­et mit Musik von Stephan Eich­er und spielt gemäss diesen Angaben vom 16. bis 25. Okto­ber 2012. Es kitzelt in mein­er Nase, und aus unerfind­lichem Grund beginne ich im Inter­net nach dem Her­rn Rober­to Di Pasquale zu suchen. Seine Fir­ma Aura Live Projects GmbH, das stellt sich sehr rasch her­aus, ist im Juli 2012 in Konkurs ger­at­en. Das ist nicht weit­er über­raschend und kommt in der Event­branche schon mal vor. Ich finde aber in allen Kul­tur­daten­banken keine Angaben zu diesem Stück in Zürich. Bei ein­er solchen «Kiste» müssten die Wer­be­trom­meln doch bere­its auf Hoch­touren laufen. Selb­st Tick­etino – als Tick­et­part­ner aufge­führt – hat keine Ein­träge zu diesem Spek­takel, geschweige denn wir für unsere Kul­tur­a­gen­da. Eine Stunde später erhalte ich einen «Pro­duzen­ten­rap­port 01», den alle Part­ner erhal­ten. Darin klären sich einige Dinge. So spielt das Stück jet­zt vom 21. Novem­ber bis 16. Dezem­ber im EWZ. Allerd­ings wer­den die Infor­ma­tio­nen noch ver­wirrlich­er: Als Medi­en­part­ner wird das Kul­tur­magazin «Du» aufge­führt, und dessen früher­er Ver­lags- und Anzeigen­leit­er als Press­esprech­er willkom­men geheis­sen. Von Stephan Eich­er ist nicht mehr die Rede, dafür spielt jet­zt der Schaus­piel­er Urs Althaus als Gast­star mit. Mein Faz­it: Das «The­ater­high­light 2012» ist eine bere­its im The­ater Neu­markt gescheit­erte Insze­nierung der The­aterkomödie von Mar­tin Suter, mit drei Schaus­pielerIn­nen und einem Tech­niker in ein­er riesi­gen EWZ-Kul­turhalle. Viel später erfahre ich, dass 6’000 Besuch­er zu einem Tick­et­preis von 60 Franken erwartet wer­den. Welch fan­tastis­ch­er Irrsinn. Wo ist Geld, und noch viel ele­mentar­er: Wo ist ein glaub­hafter Leis­tungsausweis von dem Her­rn Di Pasquale?

Per Mail stelle ich «den grossen Pro­duzen­ten» zur Rede und will wis­sen, was hier läuft. Ich sage klar, dass ich ohne Gegen­be­weis dieser Pro­duk­tion, ohne Verträge oder Ähn­lich­es, die anderen mir bekan­nten Teil­nehmer informieren und eine Recherche starten würde. Es kann ja nicht möglich sein, dass er die Rechte am Stück vom Dio­genes Ver­lag erhal­ten hat, oder einen Ver­trag mit der EWZ für die Kul­turhalle beste­ht. Als Antwort bekomme ich von ihm nur einen neuen Inser­ate-Entwurf (siehe Bild: ohne Stephan Eich­er und mit anderen Spiel­d­at­en), mit der Entschuldigung, dass er mir in der ersten Mail verse­hentlich eine alte Vor­ab­ver­sion gesendet habe. Ich beginne, wie ange­dro­ht, meine Recherche, sende an alle auffind­baren «Part­ner» Mails, tele­foniere, und ver­suche eine Absicht hin­ter dieser ver­muteten Hochstapelei zu find­en.

Zu meiner grossen Verblüffung stellte sich heraus, dass die Verträge existieren!

Die EWZ-Halle ist ver­traglich gebucht, der Dio­genes-Ver­lag hat die Rechte tat­säch­lich erteilt, die Schaus­piel­er sind informiert. Das gle­iche Stück wird momen­tan in Stuttgart am The­ater Rampe für den Start am 18. — 31. Dezem­ber geprobt – und es sollte noch vorher in Zürich spie­len. Selb­st Plakate sind allem Anschein nach exis­tent. Als mir das Mag­a­zin «Du» noch die Medi­en­part­ner­schaft bestätigt – zumin­d­est halb­wegs, schriftlich wurde nie etwas fest­ge­hal­ten – ver­ste­he ich nur noch Bahn­hof, und stelle mir die exis­ten­zielle Frage: «Bin ich ein Ver­schwörungs­the­o­retik­er? »

Recherche Ich ver­tiefe meine Recherche, finde her­aus, dass der Pro­duzent Di Pasquale in den let­zten 18 Jahren mit min­destens 7 Fir­men in Konkurs ging – die näch­ste mit dem schö­nen Namen «Glob­al Heat Treat­ment Hold­ing AG» wird sich­er fol­gen. Diese Fir­ma beste­ht wohl nur aus einem Briefkas­ten. Die Entwirrung von solchen Fir­men-Kon­struk­tio­nen ist nicht ein­fach, und es wird über­all vor Geschäft­stätigkeit­en mit solchen Schachtelfir­men gewarnt. Fast gän­zlich unbeant­wortet ist aber die Frage, ob hier bös­er Wille oder eine medi­zinis­che Real­itäts­fremd­heit vor­liegt. Dies ist von aussen nicht zu beurteilen. Allerd­ings finde ich eine klare und absichtliche Wieder­hol­ung im «Sys­tem Rober­to Di Pasquale»:

Herr Di Pasquale gibt sich als Autor aus, hat in der Tat zwei Büch­er veröf­fentlicht. Das Eine trägt den sin­ni­gen Titel: «Die Macht der Manip­u­la­tion — Eine Reise zum Gipfel der Mächti­gen». Dieses Buch wird im Inter­net als Pla­giat angeprangert. Das zweite, «Die Geld­mach­er», dreht sich um den Finanzskan­dal um Dieter Behring – wir sind in bester Gesellschaft. Die zu diesem Zweck 2009 von Di Pasquale über­nommene «Tatort Inter­na­tionale Ver­lags AG» ist konkur­sit. Nichts desto trotz hat es sich Rober­to Di Pasquale nicht nehmen lassen, sich auf Presse­por­tal­en als grossen, gefeierten Autoren zu präsen­tieren, der 2008 sog­ar nach Leipzig an die Buchmesse einge­flo­gen wurde. Er sei gar nominiert für den begehrten Buch­preis – darunter geht es nicht. Die Pres­se­texte stam­men alle von ihm sel­ber. Seine Pro­duzen­ten­rolle ist erfol­gre­ich­er: 1994 wollte Rober­to Di Pasquale in Basel in der St. Jakob­shalle das Musi­cal «Die Möwe Jonathan» auf­führen, und scheit­erte finanziell nach eini­gen Auf­führun­gen. 2008 fol­gte das Musi­cal «Joseph and the Amaz­ing Tech­ni­col­or Dream­coat» im Basler Musi­cal The­ater. Hier war Rober­to di Pasquale allerd­ings nur «Fach­beirat» – die tra­gende Fir­ma Kult­in­vest AG schrieb trotz hohen Ver­sprechun­gen tiefen Ver­lust und ging Konkurs. Ich ver­mute, dass die Arbeitsweise von Kult­in­vest AG Di Pasquale inspiri­erte. So ver­suchte er den Allein­gang: Ich bin über die Berichter­stat­tung in der BaZ gestolpert, wonach Herr Di Pasquale 2010 mit gefälscht­en Papieren die Valiant Bank und die Stadt Basel um mehr als eine vier­tel Mil­lion prellte. «Budo die Show» floppte total, und damit auch gle­ich seine 2009 gegrün­dete Fir­ma KULT Finanz­beteili­gungs AG. Par­al­le­len?

Es ist nicht wirk­lich erkennbar, welche Vorteile Herr Di Pasquale gewin­nt, wenn er so viele Fir­men in den Konkurs steuert. Ich ver­mute er braucht diese Kon­struk­te, um nicht pri­vat für die Defizite haften zu müssen. Ich bin mir nicht sich­er, es ist möglich, dass er als Liq­uida­tor auftritt und sich so die Fir­men über­schreiben lässt. Als Grün­der tritt er kaum auf. So erk­lärt es die Regelmäs­sigkeit: Länger als ein Jahr über­lebt kaum eine Fir­ma. Als Recherche-Höhep­unkt auf den Neben­schau­plätzen finde ich im Inter­net eine Web­seite: robertodipasquale.4ch.ch – ein Domain­name, welch­er auf eine Web­seite mit dem Namen http://ourlastnightv2.ou.ohost.de zeigt. Das ist eine «World of Warcraft»-Gamerwebseite – ein sehr beliebtes Com­put­er-Rol­len­spiel. Diese Web­seite ist ohne Aktiv­ität, der Serv­er «4ch.ch» ist ein anonymer Gratis-Serv­er. Alles nur Show. Ist das Naiv­ität oder Plan?

Zurück zu Mar­tin Suters Stück Wie zu erwarten stellt sich her­aus, dass der Förder­beitrag von 80’000 Franken, welchen die Stadt Zürich dem Her­rn Di Pasquale bezahlen sollte, eine Lüge war. Nie­mand der beteiligten Parteien kon­nte mir ein Pro­duk­tions­dossier oder Eingabe­dossier zeigen. Selb­stver­ständlich ging Herr Di Pasquale auf keine mein­er Anfra­gen ein und liess jegliche Gegen­darstel­lungsmöglichkeit ungenutzt ver­stre­ichen. Der Name des grossen «Investors» bleibt unge­nan­nt. Es fehlt an jeglichen Beweisen, dass über­haupt je Geld fliessen wird – wie seine Ver­gan­gen­heit gut belegt. Doch scheinen immer wieder – bekan­nte – Leute und Insti­tu­tio­nen auf die Masche reinz­u­fall­en. Das Sys­tem funk­tion­iert also. Vor allem: Das Netz ist intel­li­gent aufge­baut, geschickt einge­fädelt und nicht ein­fach zu durch­schauen. Man kann nie­man­dem vor­w­er­fen, fahrläs­sig gehan­delt zu haben. Rober­to Di Pasquale arbeit­et trick­re­ich, clever und hat immer eine gute Antwort.

Der Trick: Rober­to Di Pasquale holt sich die Rechte für eine Pro­duk­tion, grosse Namen, und lässt sich die Verträge ausstellen und unterze­ich­nen. Geld fliesst da noch nicht – das fol­gt nor­maler­weise später. Mit dem Ver­trag hat er einen «Beweis », dass er etwas pro­duzieren will, und kann damit weit­ere Part­ner anlock­en. Es gibt keinen Grund, ihm nicht zu glauben: Der Ver­trag ist ein rechts­gültiger Beweis. Rechtlich gese­hen ist also alles in Ord­nung. In der aktuellen Sit­u­a­tion wären die ersten Zahlun­gen erst Ende Okto­ber fäl­lig gewor­den. Bis da ver­suchte Di Pasquale den Rum­mel zu ver­grössern, um vielle­icht doch noch an Geld zu kom­men. Doch die Wahrschein­lichkeit, dass dieses je vorhan­den sein wird, ist sehr klein. Dazu fehlen ein detail­liertes Pro­duk­tions­bud­get und über­haupt real­is­tis­che Zahlen. Das Risiko kann er aber durch die Briefkas­ten­fir­men auf sich nehmen. Allerd­ings: Das Geld aus dem Tick­et­ing würde erst am Ende der Pro­duk­tion aus­bezahlt – Herr Di Pasquale bräuchte bis dahin eine Vor­fi­nanzierung von min­destens 80 — 120’000 Franken – wenn nicht mehr. Da kommt es natür­lich ziem­lich ungele­gen, dass eine weit­ere sein­er Fir­men ger­ade am 18.09.2012 im Tessin liq­ui­diert wor­den ist.

Grosse Wende Durch meine Anfra­gen und Recherchen wurde der Dio­genes Ver­lag, zuständig für Mar­tin Suters Werke, hell­hörig und über­prüfte den Ver­trag für «Über den Din­gen»: Da Di Pasquales Fir­ma «Aura Live Projects GmbH» am 13.07.2012 Insol­venz anmeldete, er nie­man­dem etwas erzählte, und Dio­genes den Ver­trag am 4.09.2012 gegen­ze­ich­nete, ist der Vertag auf «falschen Tat­sachen» beruhend und am 19.09.2012 für nichtig erk­lärt wor­den (haben wir schriftlich). Es find­et also (zumin­d­est jet­zt) keine Auf­führung mit diesem Stück oder mit dem Namen Mar­tin Suter statt, rechtliche Schritte sind nicht aus­geschlossen. Im Anschluss haben auch andere Part­ner sich von Di Pasquale getren­nt. Auch die ange­bliche Medi­en­part­ner­schaft mit dem Kul­tur­magazin «Du» gibt es nicht.

Das Faz­it Zu denken, dass solche Betrügereien offen­sichtlich sind, ist falsch. Nie­mand erwartet eine solche Hand­lung. Auch ich wäre blind mit­ge­zo­gen und reinge­fall­en. Ein klein­er Fehler von der Seite Di Pasquales hat Alarm aus­gelöst – tage­lang waren wir aber nicht sich­er, was hier abge­ht. Ist es Wille oder ist es eine medi­zinis­che Real­itäts­fremd­heit? Dies wird wohl das grosse Geheim­nis von Herr Rober­to Di Pasquale bleiben. Immer­hin habe ich eine neue Auf­gabe für ihn gefun­den: Seine Geschichte ist film­reif. Er kön­nte ein Buch darüber schreiben und die Film­rechte verkaufen. Das würde wahrschein­lich viel Geld abw­er­fen.

 

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Ver­mutete Infor­ma­tio­nen über den Her­rn Rober­to Di Pasquale
Rober­to Di Pasquale, *1968, wuchs gemäss seinen Angaben in ein­er Lehrerfam­i­lie in Basel auf. Er sel­ber machte eine Lehre als Fein­mechaniker und arbeit­ete als Büh­nen­tech­niker. Er soll 1993 in Ham­burg ein Studi­um als Kul­tur­man­ag­er ange­fan­gen haben. Hier begin­nt es schwammig zu wer­den: Auf dem Social­Me­dia-Por­tal XING meint er, die Kul­tur­man­age­men­taus­bil­dung von 1991 — 1995 gemacht zu haben. Er wirbt damit, Pro­duk­tion­slizen­zen für grosse Shows zu besitzen – allerd­ings stellt sich das bei Nach­frage rasch als Lüge her­aus. Die Masche ist ein­fach: Grosse Namen, Per­sön­lichkeit­en, grosse Shows, grosse Inve­storen, gross­es Geld, grosse Geschicht­en… Was fehlt sind pos­i­tive Erfol­gsmeldun­gen, Pro­duk­tion­skonzepte, Nach­weise – es fehlt eigentlich an allem. Die Über­prü­fung von solchen Ver­dachtsmo­menten ist sehr schwierig. Es zeigt aber, dass man gut bedi­ent ist, wenn man bei einem Ver­dacht die Per­so­n­en und Fir­men im Inter­net sucht. Auch die Kul­turszene ist nicht geschützt vor Betrugs­fällen und Dilet­tan­ten.

Artikel online veröffentlicht: 16. Oktober 2012 – aktualisiert am 18. Februar 2020