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Das Kavaliersdelikt der Medien

Von Lukas Vogel­sang - Seit Monat­en bewegt das delikate Spon­sor­ingth­e­ma bei der SRG einige Gemüter. Da läuft nicht immer alles rund und sauber. Im «20Minuten» bin ich — da ich mich nicht zu dessen Leser­schaft zählen kann — erst ger­ade mass­los erstaunt gewe­sen, dass der tägliche Com­ic mit einem Inser­at kom­biniert wird und nur noch grässliche Schle­ich­wer­bung darstellt. Fer­tig lustig! Daneben gibt’s über­all Inser­ate, die jegliche Logik von Lay­out und jour­nal­is­tis­chen Inhal­ten ein­er Zeitung in Frage stellen. Und jet­zt kom­men sog­ar die son­st eher skan­dal­losen Bern­er Medi­en und holen zum Schlag aus — als gäbe es ein Preisauss­chreiben der besten Kava­liers­de­lik­te in der Medi­en­welt. Und darin dreht es sich um die von der NZZ am Son­ntag (Aus­gabe vom 16. Juli 06) aufgedeck­te, etwas zu nahe Zusam­me­nar­beit der «Bern­er Zeitung» (BZ) und dem Bern­er Insel­spi­tal, der Pri­vatk­linik Meirin­gen und der Krankenkasse Visana. Es ist ein Hoch­seilakt, was in dieser Geschichte jour­nal­is­tis­ch­er Beitrag oder aber bere­its Wer­bung ist. Sauber sind die «Gesund­heits-Dossiers» so nicht. Auch nicht gesund.

Da hil­ft auch der Hin­weis der Ver­ant­wortlichen nicht, dass dies ein Test­lauf sei und die Nach­frage für solche Zusam­me­nar­beit­en gross sei. Ein Einzelfall, um Erfahrun­gen zu sam­meln? Nicht unbe­d­ingt da klin­gelt irgend­wo das Buschtele­fon, dass sog­ar die Sportredak­tio­nen für das Erwäh­nen der Haupt­spon­soren in Beiträ­gen…

Aber das sind ja alles nur Kava­liers­de­lik­te der Medi­en­welt. Nie­mand will heute noch ern­sthaft glauben, dass eine Zeitung die Wahrheit schreibt, oder dass die Ver­lage oder Jour­nal­istIn­nen nicht käu­flich sind. Haben Sie, liebe Leser, dies etwa geglaubt? Zur Erin­nerung: die Medi­en sind zur reinen Unter­hal­tungsin­dus­trie umfunk­tion­iert wor­den. Die LeserIn­nen wer­den als Kun­den beze­ich­net, die mit guter Unter­hal­tung ihr Abo-Geld gerne wieder in eine Ver­längerung eines Abon­nements steck­en und dem Nach­barn von dem unsäglichen Abo-Glück erzählen. Weil es alle tun, müssen alle nachziehen. Als Ver­lagsleit­er denke ich gle­ich. Trotz­dem, wer die Medi­en in Frage stellt, ist ein Ver­schwörungs­the­o­retik­er und wird als unglaub­würdig — notabene von den Medi­en verunglimpft. Da inter­essiert es nur noch zweitrangig, dass zum Beispiel im Falle des BZ-«Gesundheits-Dossiers», Bern­hard Kum­mer, als Vere­in­barungsver­ant­wortlich­er bei der BZ, früher Press­esprech­er beim Insel­spi­tal war. Kleine, lustige Welt.

Sich­er, es fol­gten Demen­ti und Erk­lärun­gen. So ganz öffentlich dazu ste­hen dürfte man nicht. Doch seien wir ehrlich: Ich glaube nichts davon, da ich im All­t­ag sel­ber bom­bardiert bin von Kul­turin­sti­tu­tio­nen, Kün­stlern und Enter­tain­ment-Fir­men, die unbe­d­ingt im ensuite — kul­tur­magazin inserieren möcht­en — aber nur, wenn wir über ihre Pro­duk­te und Events schreiben — und das natür­lich bitte gut. Inser­ate gegen gute Artikel, Exis­tenz zu jedem Preis. Die Grat­wan­derung ist schw­er, vor allem, wenn das Geld knapp ist. Und die Medi­en­branche lei­det zur Zeit nicht nur unter der Hitze die Ver­suchung leckt das Salz aus den Wun­den.

Dabei ist die Lage ernst und klar. Der Schweiz­erische Presser­at dazu: (Stel­lungsnahme Nr. 41/2005: Tren­nung zwis­chen redak­tionellem Teil und Wer­bung / 23.11.2005) «…Die Richtlin­ie 10.1 zur <Erk­lärung> lautet: Die Tren­nung zwis­chen redak­tionellem Teil bzw. Pro­gramm und Wer­bung ist optisch und begrif­flich klar zu kennze­ich­nen.» Und weit­er: «…hat die Richtlin­ie 10.1 zur <Erk­lärung der Pflicht­en und Rechte der Jour­nal­istin­nen und Jour­nal­is­ten> zumin­d­est durch eine ungenü­gende optis­che Abgren­zung von PR-Tex­ten von redak­tionellen Inhal­ten ver­let­zt. Und zudem ist der Redak­tion drin­gend zu empfehlen zur begrif­flichen Kennze­ich­nung bezahlter PR-Texte anstelle des nicht all­ge­mein bekan­nten Begriffs <Pub­lire­portage> eine klarere Beze­ich­nung wie z. B. <Inser­at>, <Anzeige> oder <Wer­bung> zu kennze­ich­nen.»

Natür­lich wer­den die Medi­en immer einen Weg find­en, die Ver­trags­for­mulierun­gen so zu gestal­ten, dass alles «kor­rekt» ist. Doch von wegen Kava­liers­de­likt, ich nenne dies Beruf­s­not­stand, denn die Ten­denz ist das Prob­lem.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, August 2006