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Der letzte Tanz

Von Lukas Vogel­sang - Das sind also die let­zten Bern­er Tanz­tage, die da vom 6. — 23. Juni 2007 stat­tfind­en. Diese Mel­dung war genau­so über­raschend wie das diesjährige Fes­ti­val-Pro­gramm. Aber es wäre falsch, die Entschei­dung, das Jubiläum mit einem Ende zu feiern, zu kri­tisieren. Nach 20 Jahren set­zen die Organ­isatoren auf würdi­ge und reife Weise einen Schlusspunkt. Doch ist klar, dass diese Entschei­dung in der Bern­er Kul­turszene eine schmer­zliche und ein­schnei­dende Verän­derung darstellt.

Mich per­sön­lich haben die Bern­er Tanz­tage vor über 13 Jahren in das Bern­er Kul­turleben und in den Tanz einge­führt. Ich weiss noch, wie ich Jahr für Jahr in den Fes­ti­val-Vorstel­lun­gen sass und diesen Ver­renkun­gen zusah, ohne zu begreifen, was das ganze bewe­gen soll. Die Ästhetik war mir fremd — die Sprache brauchte Über­set­zung. Ich gebe zu, dass ich bis heute nicht wirk­lich viel vom Willen des Tanzes ver­ste­he. Immer­hin ver­suchte ich mich sel­ber in «Mod­ern Dance» und Kon­tak­tim­pro­vi­sa­tion, hat­te meine per­sön­lichen Schlüs­sel­er­leb­nisse und habe viele Jahre das Geschehen inten­siv mitver­fol­gt. Die Bern­er Tanz­tage waren mir Ini­tialzün­dung für ganz vieles. Auch für viele Fra­gen. So ist dieses let­zte Fes­ti­val für mich von beson­der­er Bedeu­tung.

Das Pro­gramm des Abschlussfes­ti­vals ist erfrischend vielfältig und zeigt eine Ret­ro­spek­tive der let­zten 20 Jahre. Die waren im wahrsten Sinne des Wortes «bewe­gend». Die Bern­er Tanz­tage sind fast zu einem Wahrze­ichen eines dynamis­chen Berns gewor­den — auch wenn nicht immer alles bril­lierte. Das Fes­ti­val hat viele Verän­derun­gen miter­lebt — wer sich noch an frühere Jahre erin­nert, dem sind die lan­gen Nächte in der Dampfzen­trale noch gut präsent. Hier traf sich, was zwei Beine und Lust zur Bewe­gung hat­te. Die Tanz­tage waren nicht nur geprägt von den Ver­anstal­tun­gen, son­dern auch durch den extra für das Fes­ti­val erschaf­fe­nen und gestal­teten Kul­tur­ort. Die Deko­ra­tio­nen über­boten sich von Jahr zu Jahr, ver­schiedene Restau­rants verpflegten die gesamte Gesellschaft und ob man an die Per­for­mance ging oder nicht, die LateNight-Par­ties mit den DJs und zum Teil auch mit den Per­for­mancekün­sterIn­nen, haben tiefe Erin­nerungsspuren gezo­gen und Kon­tak­te geschaf­fen.

Doch der Tanz und auch das Inter­esse des Pub­likums sind in den zwanzig Jahren gewach­sen. Dass diese Entwick­lung eben­falls von Bern hätte mit­ge­tra­gen wer­den müssen, dass ein solch­es Fes­ti­val nicht ein­fach vom Him­mel fällt, hat Bern zu spät erkan­nt. Bern und die gesamte Kul­turszene haben sich eben­falls verän­dert. Jet­zt haben wir zwar mehr Plat­tfor­men für die Heim­szene geschaf­fen und die Kun­st­form Tanz hat auch ein festes Stand­bein in Bern gefun­den, jedoch fällt mit dem Fes­ti­val auch eine Ver­gle­ichsmöglichkeit, eine Stan­dortbes­tim­mung weg. Natür­lich ist ein Ende auch immer ein Anfang von ein­er neuen Ära. Mal sehen was sich in den näch­sten Jahren eröff­nen wird.

Dieses Jahr freue ich mich beson­ders auf die israelis­che Tanzkom­panie «Ver­ti­go and the Dia­monds». Als sie 1998 in Bern gastierte, habe ich zum ersten Mal eine Art Sprache im Tanz ver­ste­hen kön­nen. Bis heute ist diese Per­for­mance von «Ver­ti­go» für mich prä­gend und Mass aller Dinge geblieben ich habe fast ein wenig Angst, dass ich zu hohe Erwartun­gen set­ze und ver­suche mich in der Vor­freude zu mäs­si­gen. Doch auch Cie Maguy Marin, Raimund Hoghe, Cie Buissonnière und das Bal­let Nation­al de Mar­seille machen Appetit. Und während ich darüber nach­denke, was ich auch noch gerne wieder gese­hen hätte, so trauere ich bere­its, dass die Zeit so rasch vor­bei geht. Doch bevor die Bern­er Tanz­tage nur noch in den Erin­nerun­gen bewe­gen wer­den, gilt es erst, das Jubiläum mit den Organ­isatoren zu feiern und ihnen her­zlich für dieses Stück Bern­er Geschichte zu danken.

Bild: zVg.
ensuite, Juni 2007