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Die Rechnung für den Populismus

Von Patrik Etschmay­er - Es gibt ange­blich keine Zufälle. Quan­ten­physik­er wer­den Ihnen da ver­mut­lich wider­sprechen, aber wenn es um poli­tis­che Bewe­gun­gen, dann gibt es Zusam­men­hänge. Und die Antworten der Fra­gen lassen sich dabei nicht in der Gegen­wart find­en, son­dern immer in der Ver­gan­gen­heit. Je gröss­er die Prob­leme, desto weit­er muss zurück­ge­blickt wer­den.

Klick­far­men, rus­sis­che Email-Hacks, Alt-Right-Dem­a­gogen, Trump­is­mus, Recht­spop­ulis­mus, Iso­la­tion­is­mus. Wörter, welche die derzeit­i­gen Nachricht­enspal­ten auf­füllen. Und Entset­zen ver­bre­it­en. Doch Rechts­dem­a­gogen sind über­all: Ungarn, Türkei, Rus­s­land, Gross­bri­tan­nien, AFD, FN, NF, FPÖ, SVP und so weit­er…

Nation­al-verblödete Bewe­gun­gen sind offen­sichtlich in der ganzen west­lichen Welt und den angren­zen­den Län­dern auf dem Vor­marsch. Die Muni­tion der Vor­sprech­er ist Exis­ten­zangst und die Panik viel­er Men­schen, dass ihre Exis­tenz und ihre Einkom­men durch Glob­al­isierung und Immi­gra­tionsströme bedro­ht sind. Solche Äng­ste — ein­fach anders for­muliert — gab es schon ein­mal. Und auch diese fol­gten — wie die gegen­wär­tige Sit­u­a­tion — auf eine weltweite Finanzkrise. Schon damals mussten nor­male Men­schen mit ihrem Ver­mö­gen, mit ihrer Exis­tenz und zum Teil mit ihrem Leben für die Exzesse der Finanzwirtschaft zahlen und das scheint auch jet­zt wieder der Fall zu sein.

Während der Roo­seveltsche New Deal die USA damals wieder auf die Beine brachte, pro­bierte in Europa das ‘Dritte Reich’ eine andere Meth­ode aus, die auf Lügen, Bere­icherung der Eliten, Diskri­m­inierung und Ver­fol­gung von Min­der­heit­en und Völk­er­mord basierte. Der Weltkrieg war eine logis­che Fol­gerung, nicht zulet­zt, weil Hitlers ‘Wirtschaft­spro­gramm’ zum Staats­bankrott geführt hätte. So war es denn kein Zufall, dass der Weg sowohl beim ‘Anschluss’ von Öster­re­ich als auch beim Ein­marsch in der Tsche­choslowakei jew­eils die Nation­al­banken dieser Län­der das erste Ziel der Deutschen gewe­sen waren, wo die Gold­vor­räte gehort­et und nach Berlin ver­schoben wur­den, um die leeren Kassen des armen ‘Reichs’ wieder zu füllen. Und sie braucht­en drin­gend Nach­schub, da dies Aufrüs­tung — die für einen Kriegs­be­ginn 1945 aufge­spurt war — Deutsch­land an den Rand des Zusam­men­bruchs gebracht hat­te. So waren sowohl Hitlers Grössen­wahn, die leeren Staatskassen wie auch die Falschein­schätzung von Frankre­ich und Gross­bri­tan­nien entschei­dend dafür, dass am 1. Sep­tem­ber 1939 die Wehrma­cht in Polen ein­fiel und das endgültige ‘Los!’ für den zweit­en Weltkrieg gab.

Dies alles passierte vor dem Hin­ter­grund ein­er grossen Unzufrieden­heit des Deutschen Volkes und dem Ver­sprechen, Deutsch­land wieder ‘gross zu machen’. Die Schuld am ganzen Elend wurde dabei nicht nur in der Wirtschaft­skrise nach dem Börsen­crash von 1929 gesucht, son­dern eben­so sehr in ein­er Ver­schwörung der Juden gegen die Deutschen verortet. Dieser tief in der christlichen Geschichte ver­ankerte Anti­semitismus wurde ger­ade zu ein­er Zeit wieder ins Zen­trum der Poli­tik gebracht, als Juden immer bess­er in der Bevölkerung inte­gri­ert und nicht mehr aus­ge­gren­zt wur­den — ganz ein­fach, weil man einen Sün­den­bock brauchte.

Sün­den­böcke braucht es auch heute wieder. Denn die neue Rechte stellt das kap­i­tal­is­tis­che Sys­tem ja nicht in Frage. Sie stellt auch nicht in Frage, dass Reiche immer Reich­er wer­den (auch wenn dies nach ein­er alten Sozi-Kamelle tönt, stimmt es eben immer noch), son­dern behauptet, dass der immer klein­er wer­dende Rest des Kuchens der Nor­mal­bürg­er und ‑arbeit­er von Ein­wan­der­ern, Asy­lanten und Konkur­renten jen­seits der Gren­ze angekn­ab­bert wird, während die Pro­duk­tiv­itäts­gewinne zu den Kap­i­taleign­ern abwan­dern.

Nun ist es so, dass die Parteien, die ursprünglich für die Arbeit­er­rechte und die gerechtere Verteilung der Erträge aus der Wirtschaft kämpften, auch jene sind, die für die Rechte von Aus­län­dern und Rand­grup­pen ein­ste­hen. Fol­gt man dem nation­al­is­tis­chen Nar­ra­tiv, sind diese also ger­ade zu den Fein­den ihrer eige­nen Klien­tel gewor­den und es ist aus dieser Per­spek­tive kein Wun­der, dass viele “Büet­zer”, “Mal­ocher”, “Blue Col­lar Work­ers” — sprich die Arbeit­erk­lasse — zu pop­ulis­tis­chen Bewe­gun­gen abwan­dern, da sie dem offen­sichtlich präsen­tierten Feind­bild Glauben schenken.

Wür­den sie hinge­gen ein­mal genau hin­schauen, welche Hin­ter­gründe und Inter­essen die Anführer dieser Bewe­gun­gen vertreten, müssten sie eigentlich real­isieren, dass sie hier ihren Met­zger sel­ber gewählt haben. Ob es nun ein Trump ist, der eine reich doku­men­tierte Geschichte hat, wie er Liefer­an­ten, Angestellte und Kun­den um ihr Geld betrügt oder ein Blocher, der zweifel­hafte Anlage-Visio­nen eines Fre­un­des propagierte und als Ver­wal­tungsrat beauf­sichtigte, Mil­lio­nen-Boni kassierte und mit seinem Namen dem Ruin von Kleinan­legern so Vorschub leis­tete oder eine Beat­rix von Storch, die schein­bar die Wiedere­in­führung eines vom Adel geführten Stän­destaates her­bei­wün­scht: Der ‘kleine Mann’ — und es sind vor allem Män­ner, welche diese Parteien wählen — ist vor allem als Stim­mvieh attrak­tiv. Dies lässt sich mit der Aus­sicht auf bessere Zeit­en dank der Eli­m­inierung von Feind­bildern bew­erk­stel­li­gen.

Doch am Schluss muss genau dieser ‘kleine Mann’ — nach den Flüchtlin­gen, Aus­län­dern, Min­der­heit­en und Frauen natür­lich — die Rech­nung zahlen. 1939 musste er diese mit seinem Blut, vielfach seinem Leben und dem Leben sein­er Geg­n­er auf dem Schlacht­feld begle­ichen. Mit welch­er Währung die pop­ulis­tis­chen Ver­sprechen dieses Mal beglichen wer­den müssen, ist hinge­gen noch nicht klar — nur wer bezahlen muss, ste­ht bere­its wieder fest.

Die Alter­na­tive wäre natür­lich die Verteilung der Pro­duk­tiv­itäts­gewinne und die Steigerung der all­ge­meinen Pros­per­ität. Doch das würde mehr Demokratie erfordern und erzeu­gen. Und daran sind die pop­ulis­tis­chen Pseu­do­demokrat­en als let­ztes inter­essiert.

Artikel online veröffentlicht: 28. November 2016 – aktualisiert am 30. Dezember 2016