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EDITORIAL

Von Lukas Vogel­sang - Bern ist eine windi­ge Stadt. Diese Wind­ver­hält­nisse haben mich schon oft grü­beln lassen. Ich ver­mute, dass wir durch das Aare­tal und das Gür­be­tal, gewis­ser­massen durch zwei Wind­kanäle, hier in der Bun­desstadt ein Luft­druck­prob­lem haben. Vielle­icht liegt darin die Begrün­dung der „bernischen Langsamkeit“, die man uns doch schon seit jeher anhängt. Es ist zu beobacht­en, dass in unseren Büros die Kaf­feemas­chine aus Müdigkeit immer gle­ichzeit­ig kon­sul­tiert wird — ein unmit­tel­bar­er Zusam­men­hang mit ein­er Luft­druck-Verän­derung ist annehm­bar, noch nicht ganz bewiesen, weil ich meis­ten zur gle­ichen Zeit sel­ber eine Kof­fein­spritze benötige. Aber Luft­druck-Verän­derun­gen sind anstren­gend, das weiss ich. Es wäre also nur eine dankbare Erk­lärung für unser geschicht­strächtiges Bern-Ver­hal­ten.

Wind wirbelt auch immer viel Staub auf, welch­er sich in allen Ekken hart­näck­ig fest­gek­lebt hat. Sich­er hat die Stadt Bern eine gute Putz­mannschaft, die her­vor­ra­gende Arbeit leis­tet. Doch in ganz alle Eck­en, da kann nur der Wind. Und das ist die gute Seite davon. Ich mag es, wenn ich im Büro am Fen­ster ste­he und zuse­hen kann, wie Zeitungs­seit­en mit einem Heuler durch die Gegend flat­tern und erst Zusam­mengewis­cht­es wieder auseinan­der­sprengt. Der Wind hat ver­schiedene For­men, er kann poli­tisch sein oder ganz kul­turell, manch­mal ist er ernst, manch­mal eher spielerisch. Vielle­icht war es der Wind, der ensuite — kul­tur­magazin in diesen stür­mis­chen Zeit­en zusam­men­heftet und uns damit mehr Halt gibt. Aber vielle­icht sind wir mit 56 Seit­en auch ein­fach zu schw­er gewor­den, um vom Tisch gewe­ht zu wer­den. Und wer in diesem Wind einen Drachen steigen lässt, muss damit rech­nen, dass die Böen stärk­er sind und das Spielzeug kaputt geht.

Zum Glück haben nicht wir den kul­turellen Wind gemacht, son­dern nur die Segel geset­zt, als es anf­ing. Gemäss unser­er Pla­nung sind wir damit 3/4 Jahre vor unser Bud­get und Pla­nung ger­at­en. Deswe­gen füh­le ich mich vielle­icht so wohl und freue mich auf den nun kom­menden zweit­en Früh­ling.

ensuite, April 2004

Artikel online veröffentlicht: 8. Juni 2017