Von Lukas Vogelsang – Letzte Woche habe ich von der Post einen netten Brief erhalten. Man erkläre mir darin, dass ab Juni meine eigene private Kontoführung bei Yellownet (also die Buchungen per Internet) nicht mehr gratis sein soll. Wunderbare und definitiv verkehrte Welt: Ich arbeite für die Post und muss mich selber bezahlen dafür. Mit den unendlichen Schalterwarteschlangen haben die Banken und die Poststellen uns bereits die letzten Nerven gekostet und jetzt müssen wir diese Finanzheinis sogar für unsere eigene Arbeiten bezahlen. Kein Wunder, dass diese Betriebe reicher werden. Morgen werden wir in der MIGROS und bei COOP erst ein Ticket kaufen, damit wir überhaupt ins Einkaufszentrum eintreten dürfen und das Tram und die Busse in Bern werden ab sofort von den Passagieren gestossen — natürlich nicht ohne vorher ein Billet gelöst zu haben. Irgendwie aber gefällt das System — es sozialisiert uns zumindest ungemein, trotz kränkelnder Systematik: Schlechtere Dienstleistungen sollen mit Geld, Applaus und einem grossen Dankeschön an die befehlende und gutverdienende Elite, bezahlt werden. Hiess es nicht vor einem Jahr noch überall „sparen, wir haben kein Geld!“ Die Realität zeigt, dass viel mehr Geld einfach anders eingesetzt wird — bezahlen tut aber immer jemand… wirklich!
Dies betrifft auch die Kultur in Bern. Als Beispiel: Vor einem Jahr konnte die Stadt Bern trotz grossen Lobes an ensuite — kulturmagazin kein Kulturgeld sprechen und spendete uns einen symbolischen Betrag von Fr. 2‘000.-. Nun soll plötzlich für eine eigene Kulturagenda 800‘000 Franken flott gemacht und dazu für den gleichen Betrag eine Ticketing-Vorverkaufsstelle gebaut werden, welche dazu pro Jahr satte 1,2 Millionen Franken Unterhaltskosten schlucken wird. Dazu wird die Dampfzentrale — zwar mit einem verhältnismässig kleinen Betrag — zusätzlich subventioniert. Das Paul Klee Museum ist noch nicht fertig und wird auch noch ca. 3 Millionen pro Jahr benötigen — nicht zu sprechen von all den weiteren Umbauten, die in den restlichen öffentlichen Kulturinstitutionen anstehen. Toll. Und wo bleibt dann die Kultur und damit vor allem die kulturschaffenden Menschen? Wird Kulturgeld jetzt wie in einer Immobilienverwaltung verwaltet? Wenn dem so ist, dann miete ich mir jetzt eine en — suite im Stadttheater…
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 17, Mai 2004