Von Lukas Vogelsang – Schrecklich, die Kultur ist ausgebrochen! Wie eine Seuche breitet sie sich aus — weltweit. Da wirken die «Ritas» und Ölpreise wie Randständige oder Statisten. Und jetzt, weil sich ja alles und jede für Kultur interessiert, will man das Schocken mit den alten Klischees aus den 70’ern untermalen — vielleicht weil die Kulturund Kunstszene begriffen hat, was die Radios schon lange wissen: Hits und Megahits liegen in den 70’ern, 80’ern und 90’ern verborgen. So werden frivol Lesben in Kirchen an die Wände projiziert, Opern werden jetzt mit Erektionsgarantie verkauft und die ebenfalls legendäre Freakshow erlebt das totale Revival. Das bringt Kohle und die Emotionen in Wallungen — was ja im Anbetracht der Ölpreise die Autos nicht mehr hinkriegen. Perfekt im Timing hat unsere Abteilung für Kulturelles ein «Kulturleidbild» erschaffen — eine Zustandsdokumentation sozusagen welche diese zeitgenössische Irren und Wirren im Geld erstarren lassen möchte. Eine grundsätzlich gute Idee — die Frage der Haltbarkeit über Jahre müsste aber noch besser abgeklärt werden. Doch eben, das Hochwasser oder besser der Wasserfallen hat dieser Geschichte ein Ende gesetzt. Tja, Naturgewalten stehen eben noch immer nicht unter unserer Kontrolle.
Und es ist klar, dass niemand den Mund aufmachen würde, nicht öffentlich. Wir nehmen das alles hin, weil es uns nicht betrifft. Wir schweigen, weil wir uns nicht positionieren wollen — man könnte ja angreifbar werden. Und diejenigen, die etwas sagen könnten, die JournalistenInnen zum Beispiel, müssen um Ihre Stellen bangen. Keine Chance zu überleben, die Kündigung wartet schon auf die ehrlichen und pflichtbewussten. So werden wir zu weichgeklopften Hohlköpfen erzogen. Und glauben Sie jetzt ja nicht, dass diese Worte polemisch moralisierend sind. Schauen Sie mal aus dem Fenster raus…
Und jetzt los: leserbrief@ensuite.ch
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 34, Oktober 2005