Von Lukas Vogelsang – Am Montag, 23. Januar ging das neue CapitalFm-Radio auf Sendung. In der Berner Zeitung hiess es an diesem Montag: «Um 5.30 Uhr ging es heute auf Sendung, das neue…». Nun, eine Zeitung wird am Vorabend gedruckt. Das Vortäuschen der Aktualität und das Vermitteln der Superpräsenz für die Leser ist irreführend. Der Artikel wurde vor Sendestart geschrieben. Natürlich kann man sich fragen was dagegen spricht, CapitalFM gehört schliesslich wie Bund, BZ und TeleBärn der ESPACE.
CapitalFM: Wer sich mit der Radio-Geschichte und mit den Berner Radios auseinandersetzt, hat anhand der PR-Texte schnell festgestellt, dass dieses Radio eine weitere Schlafhilfe aus dem Äther sein wird. Von einzigartiger Tonalität und Wiedererkennbarkeit ist die Rede, obwohl sie — die Götter stehen uns bei — nur «die aktuellen Hits mit den grössten Klassikern bis zurück in die frühen 70er Jahre» senden… Dazu kommt, und das hörte man deutlich in den ersten Sendestunden: Dieses Radio hat uns nichts zu sagen. Die angeblich 20 täglichen Nachrichtenbulletins werden «20Minunten» nicht konkurrieren. Vor allem: Brauchen wir das? Man berichtet ja eh nur über relevante Meldungen aus dem In- und Ausland und das erst noch auf den Punkt gebracht. Wie schön wären Sendungen, die uns die Zusammenhänge erklären und des Hörers Wissen breiter machen? Doch träumen wir weiter oder hören Radio RaBe.
Was sind Medien, wenn sie uns keine objektive Hintergrund-Berichterstattungen liefern können? Infotainer. Dass sich die Medien mit dieser seichten und schlechten Unterhaltung selber in den Abgrund der Belanglosigkeit und damit in den Ruin spielen, scheint ihnen nicht in den Sinn zu kommen. Augen zu, Ohren zu, Mund zu — die ESPACE beherrscht in Bern diese Tendenz wie kein anderes Medienunternehmen (davon gibt ja es auch nicht mehr viele). Und gemeinsam schütteln sich die sogenannten VerlagsleiterInnen und Chefredaktoren die Hände und entlassen weiterhin das Fussvolk. Ein Berufsethos bricht zusammen.
Aber Hauptsache, Medien bleiben lustig, fröhlich und ein Riesen-Hit. Spätestens seit das «neue» Outfit das Fernesehen DRS zum Billig-Hausfrauen-TV mutieren liess, habe ich die Hoffnung in die Medien-«Profis» verloren. Leider.
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 38, Februar 2006