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EDITORIAL Nr. 38

Von Lukas Vogel­sang – Am Mon­tag, 23. Jan­u­ar ging das neue Cap­i­talFm-Radio auf Sendung. In der Bern­er Zeitung hiess es an diesem Mon­tag: «Um 5.30 Uhr ging es heute auf Sendung, das neue…». Nun, eine Zeitung wird am Vor­abend gedruckt. Das Vortäuschen der Aktu­al­ität und das Ver­mit­teln der Super­präsenz für die Leser ist irreführend. Der Artikel wurde vor Sendestart geschrieben. Natür­lich kann man sich fra­gen was dage­gen spricht, Cap­i­talFM gehört schliesslich wie Bund, BZ und Tele­Bärn der ESPACE.

Cap­i­talFM: Wer sich mit der Radio-Geschichte und mit den Bern­er Radios auseinan­der­set­zt, hat anhand der PR-Texte schnell fest­gestellt, dass dieses Radio eine weit­ere Schlafhil­fe aus dem Äther sein wird. Von einzi­gar­tiger Tonal­ität und Wieder­erkennbarkeit ist die Rede, obwohl sie — die Göt­ter ste­hen uns bei — nur «die aktuellen Hits mit den grössten Klas­sik­ern bis zurück in die frühen 70er Jahre» senden… Dazu kommt, und das hörte man deut­lich in den ersten Sendestun­den: Dieses Radio hat uns nichts zu sagen. Die ange­blich 20 täglichen Nachricht­en­bul­letins wer­den «20Minunten» nicht konkur­ri­eren. Vor allem: Brauchen wir das? Man berichtet ja eh nur über rel­e­vante Mel­dun­gen aus dem In- und Aus­land und das erst noch auf den Punkt gebracht. Wie schön wären Sendun­gen, die uns die Zusam­men­hänge erk­lären und des Hör­ers Wis­sen bre­it­er machen? Doch träu­men wir weit­er oder hören Radio RaBe.

Was sind Medi­en, wenn sie uns keine objek­tive Hin­ter­grund-Berichter­stat­tun­gen liefern kön­nen? Info­tain­er. Dass sich die Medi­en mit dieser seicht­en und schlecht­en Unter­hal­tung sel­ber in den Abgrund der Belan­glosigkeit und damit in den Ruin spie­len, scheint ihnen nicht in den Sinn zu kom­men. Augen zu, Ohren zu, Mund zu — die ESPACE beherrscht in Bern diese Ten­denz wie kein anderes Medi­enun­ternehmen (davon gibt ja es auch nicht mehr viele). Und gemein­sam schüt­teln sich die soge­nan­nten Ver­lagslei­t­erIn­nen und Chefredak­toren die Hände und ent­lassen weit­er­hin das Fussvolk. Ein Beruf­sethos bricht zusam­men.

Aber Haupt­sache, Medi­en bleiben lustig, fröh­lich und ein Riesen-Hit. Spätestens seit das «neue» Out­fit das Fer­ne­se­hen DRS zum Bil­lig-Haus­frauen-TV mutieren liess, habe ich die Hoff­nung in die Medien-«Profis» ver­loren. Lei­der.

 


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 38, Feb­ru­ar 2006

Artikel online veröffentlicht: 1. Februar 2006 – aktualisiert am 13. März 2024