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EDITORIAL Nr. 52

Von Lukas Vogel­sang – Das war’s also. Die neue Kul­turstrate­gie von Bern ist angenom­men wor­den und damit eine grosse Lüge ein­er sol­i­darischen Gesellschaft. Alle scheinen glück­lich, doch das stimmt nicht: Zu viele Fra­gen waren offen — und nie­mand wagte, danach zu fra­gen. Nur jene, die keine Sub­ven­tion erhal­ten, haben den Mund geöffnet, und jene, die den Preis für das Schweigen der anderen bezahlt haben. Die Ver­anstal­terIn­nen waren alle bere­it, das Korn­haus­fo­rum zu opfern, um die eigene Haut zu ret­ten. Einige haben mir bestätigt, dass sie nichts sagen, weil sie befürcht­en, dass zum Ende gar ihnen das Geld gestrichen wird. Was für ein Kul­turver­rat. Ich schäme mich für Bern.

In der Berichter­stat­tung zeigten die «grossen» Zeitun­gen Mühe mit der The­matik: So war «Der Bund» sehr ver­wirrt und unl­o­gisch in der Lin­ie, stellte sich hin­ter die Kul­tur-Pro­tag­o­nis­ten und rück­te damit jene in den Vorder­grund, welche auf die Zeitung zuge­gan­gen sind. Eine mutige Eigen­recherche und der fass­bare Kom­men­tar fehlte aber. Es wurde ein Weich­spül­pro­gramm. Umso tröstlich­er, dass die im Kul­turellen son­st eher ver­schriene «Bern­er Zeitung» im Stadt­teil mehrere Kom­mentare pub­lizierte, die sog­ar mir die Haare zurück­stell­ten. Mutig und gut, denn es waren unpolemis­che Zusam­men­fas­sun­gen von der Geschichte, recher­chiert, unverblümt, ehrlich und geballt. Trotz­dem: Das Mate­r­i­al für eine span­nende Kul­turberichter­stat­tung lag frisch und fer­tig auf der Hand — unsere Medi­en haben es trotz­dem ver­schlafen.

Und doch brodelt es in Bern der Medi­en wegen. Das ver­meintlich friedliche Städtchen wankelt mal nicht nur wegen der Press­luftham­mer: Der «Bern­er Bär» hat mit dem Abdruck des Artikels «Beruhi­gungszone Bern» von Paul Engel­er («Welt­woche») Anfang März ein Beben aus­gelöst — und es gab beden­klich viele pos­i­tive Zurufe. Auch «Facts» und die «NZZ» gehen mit Bern zurzeit nicht zim­per­lich um. Die Kluft zwis­chen Poli­tik und Gesellschaft ist gröss­er gewor­den — so scheint’s: Das friedliche Städtchen hat Rat­ten im Fun­da­ment.

Was mich per­sön­lich aber am meis­ten erstaunte, war, dass der «Bern­er Bär» diesen Engel­er-Artikel abdruck­te. Nicht dass ich ein inten­siv­er Leser dieser Zeitung wäre. Aber son­st sind dort immer nur Bildli drin, um Promis zu solchen zu machen, nicht, um jene zu degradieren. Seit län­gerem beobachte ich, dass die MacherIn­nen mit diesem fus­sli­gen Zeitungsauf­trag, eine der inno­v­a­tivsten Zeitun­gen in Bern gebaut haben. Immer wieder stolpere ich über Sätze oder Hin­weise, die ich nie auf diesen Seit­en zu find­en gewagt hätte. Vielle­icht werde ich in Zukun­ft auch für den Bern­er Bären ren­nen. Oder war das was anderes?


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 52, April 2007

Artikel online veröffentlicht: 1. April 2007 – aktualisiert am 13. März 2024