Von Lukas Vogelsang – Ein dringender Appell an die Evolution: Wir brauchen Schwimmhäute und Kiemen! So viel Wasser wie in diesem Sommer hält ja kein Mensch aus. Und wenn unsere StadtpolitikerInnen alles dransetzen, die BernerInnen mit Wellen und Stadtbächen aufzuheitern, ich glaube, sie setzen momentan einfach auf das falsche Pferd (oder besser Fisch). Dafür erhält der Bahnhofs-Baldachin in diesem Sommer seine fehlende Begründung geschenkt, wie ein Lottogewinn nur ist anzunehmen, dass wir, wenn der Bau mal fertig gestellt ist, eine Hitzeperiode haben und wir uns unter dem Dach wie in einem Mikrowellenofen fühlen werden… So ist das Leben. Man wünscht sich was und man erhält es oder eben nicht — was soll’s.
Aber Wünsche sind nötig. Sie kreieren neue Visionen und bringen Hoffnung ins Leben. Da stimmt es mich nachdenklich, wenn ich sehe, wie heute unsere Wünsche und Visionen von den Marketingfirmen kreiert und manipuliert werden. Wir werden getrimmt in Strom, Handy-Hülsen und iDings. Unsere Visionen gleichen unterdessen dem Notizbuch eines Lifestyle-Magazin-Redaktors und wir klonen uns täglich aufs Neue, erfinden uns kopierend neu — und vergessen dabei unsere eigene kleine, persönliche Geschichte.
Doch dafür haben wir eine Häppi-Gesellschaft mit den Häppi-Festivals und alle sind so lustig und so party. Sie kippen zwar literweise Alkohol und schmeissen jegliche Chemie hinten nach — damit alles lustig bleibt. Denn ohne geht’s nicht. Man suggeriert uns Häppi-Live intravenös. Für die OrganisatorInnen und die Strom-Handy-iDings-Firmen ist das sicher lustig. Und die Masse verliert oder gewinnt eine neue Vision — je nachdem wie wir es betrachten — Hauptsache sie liefert Geld.
Deswegen ist uns zu wünschen, dass wir noch weitere Baldachine, Stadtbäche und konfusmoderne Zentren erfinden. Die fördern wenigstens eine wahrhafte Kommunikation und damit wirkliche Visionen. Und damit wären dann auch diese blöden Baustellen in Bern einigermassen erträglich…
Foto: zVg.
Publiziert: ensuite Ausgabe Nr. 56, August 2007