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EDITORIAL Nr. 70 Zürich

Von Lukas Vogel­sang – Nach dem ver­reg­neten Früh­ling, dem sehr kurzen Som­mer und dem ver­früht kalten Herb­st drückt es auf die Stim­mung — ein richtiges Schalt­jahr. Dazu kommt noch eine Prise Finanzkrise, Wahlen in Ameri­ka und ein paar Schar­mützel zwis­chen den Gross­mächt­en. Kein Wun­der, dass die Herzen schwach wer­den und die Gesund­heit sich zu Wort meldet. In den let­zten Tagen haben sich viele Men­schen fluchtar­tig in die Ferien ver­zo­gen — wer inter­essiert sich da noch für die Saison­eröff­nung­spro­gramme der ver­schiede­nen Kul­turver­anstal­ter?

Mir ist in den Jahren aufge­fall­en, dass die Kul­tur­sai­son immer kürz­er wird. Wo früher die Sai­son bere­its im August mit Pauken und Trompe­ten los­ging, starten jet­zt viele erst Ende Okto­ber. Nach den Ferien eben. Und weil zwis­chen Som­mer- und Herb­st­fe­rien kaum Zeit bleibt, die Kof­fer auszuräu­men und die Klei­der zu waschen, bleiben viele Kul­tur­lokale von Mitte Mai bis Ende Okto­ber still. Was arbeit­en die Leute, die an so einem Ort arbeit­en, in diesen fast fünf Monat­en? Sind die Kul­tur­sub­ven­tio­nen so lukra­tiv, dass man die Hälfte des Jahres unter dem Solar­i­um ver­brin­gen kann? Sich­er nicht — aber sicht­bar ist trotz­dem nicht, was in dieser Zeit geschieht.

Ich frage ich manch­mal sowieso, ob eine städtis­che Kul­tur­poli­tik nicht nur ein getarntes Unter­hal­tung­spro­gramm für die Wohl­stands­ge­sellschaft darstellt. Denken wir bei Kul­tur­poli­tik an eine Moral oder an unsere Gesellschaft? An Wertvorstel­lun­gen? Wenn ja, an welche? Oder dreht sich alles nur um Geld und volle Zuschauer­ränge, damit die Kasse stimmt?

Über­prüfen wir das. Dieser Herb­st startet mit vie­len grossen Anlässen und Fes­ti­vals. Hof­fentlich vergessen wir vor lauter Grösse dabei nicht, dass es auch kleine kul­turelle und kün­st­lerische Dinge gibt.


Foto: zVg.

Pub­liziert: ensuite Aus­gabe Nr. 70 Zürich, Okto­ber 2008

Artikel online veröffentlicht: 1. Oktober 2008 – aktualisiert am 13. März 2024