(Offener Brief von Carola Ertle Ketterer) — Am Wochenende vom 12. und 13. Januar hat der 24. Galerienrundgang stattgefunden. In der «Berner Zeitung» wurde gleichzeitig ein Interview mit zwei Galeristinnen publiziert, welches Bern jegliche künstlerische Präsenz absprach. Ein Ort, der ohne internationalen Flughafen Kunst-Provinz sei. Eine traurig blinde Wahrnehmung.
Der Verein Berner Galerien war der erste, der ein solches Wochenende durchgeführt hat – Zürich und Basel haben dies später kopiert. So stolz wie auf diese Tatsache können wir auch auf die vielfältige Galerienszene in unserer Stadt sein. Hier finden sich gerade jetzt Berner Künstlergrössen und Künstlerinnen und viele international tätige Künstler: Pascal Danz (Bern/Brüssel) bei Bernhard Bischoff, Peter Aerschmann (Bern/Paris) bei Béatrice Brunner, Christina Niederberger (London) bei Duflon & Racz, die Spuren von James Lee Byars (2008/09 widmete ihm das Kunstmuseum Bern eine grosse Ausstellung) bei Krethlow und Steve Miller mit seinem brasilianischen Blick auf unsere Umweltschandtaten in der Galerie Rigassi und viele mehr.
Es gibt in Bern einige alteingesessene Galerien, die beständiges Programm zeigen: Zum Beispiel die Galerie Krebs mit M.S. Bastian. Ebenso ist die Galerie Henze & Ketterer eine Galerie mit internationaler Ausstrahlung, mit einer Filiale fast neben der Fondation Beyeler in Basel. Und nicht zu vergessen ist die Galerie Kornfeld. Der Videokunstraum zeigt internationale Videokunst. Die Galerie Béatrice Brunner spürt immer wieder Künstler und Künstlerinnen auf, die überraschen — sie war auch das Sprungbrett für die Künstlerin Julia Steiner, die nun in Luzern/Peking bei Urs Meile und international präsent ist. Und wir sind nicht nur mit Krethlow bis nach Brüssel vernetzt.
Viele Menschen haben an diesem letzten Galerienwochenende ungeniert Galerieräume betreten können. Man sah sie diskutieren, beobachten und manchmal auch rasch wieder verschwinden. Die halbe Off-Space-Szene hat sich orientiert und viele Berner und Bernerinnen und auswärtige Künstler und Künstlerinnen taxierten die Galerien und waren begeistert.
Wir haben eine reichhaltige, lebendige und anregende Galerienszene mit hoher Qualität in Bern.
Die Berner Kunst- und Kulturszene, inklusive Tanz, Musik, Theater und Performance usw., ist allgemein sehr reichhaltig im Verhältnis zur Grösse der Stadt. Ich glaube, so etwas ist einmalig für eine Hauptstadt. Das ist keine Provinz. So fühle ich mich hier nicht. Sicher, einige ziehen nach Zürich – andere kommen von dort wieder zurück. Oft haben Menschen die Vorstellung, dass es an einem anderen Ort viel besser ist: mehr Menschen, andere Szenen… Nun, jede Szene hat ihre Gefolgschaft und wenn man diese mal kennt, ist sie auch nicht mehr so gross. Bern ist verkehrstechnisch super erschlossen: Mit dem Zug eine Stunde nach Basel oder Zürich – und dann die Zugeinfahrt nach Bern: ein Alpenpanorama pur. Letzthin war ein bekannter Hamburger Sammler in Bern unterwegs und war begeistert vom Programm und der schnellen Verbindung Hamburg-Basel-Bern. Ebenfalls die Hochschule der Künste, die er bereits gut kannte, begeisterte ihn aufs Neue. Ob mit oder ohne grossen Flughafen: Bern ist verkehrstechnisch wie künstlerisch international vernetzt und steht in der Kunst in nichts nach.
Ich finde, man muss sich auf den Ort einlassen, in dem man lebt – sonst bleibt einem nur die Möglichkeit, in die grosse weite Welt zu ziehen.
Carola Ertle Ketterer