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ex officio

ensuite_159_März_16Von Lukas Vogel­sang - Der Titel klingt im Öster­re­ichis­chen noch absur­der: Amtswegigkeit. Das heisst, dass ich kraft eines Amtes Hand­lun­gen vornehmen kann. Mir kommt dabei auch «Dienst nach Vorschrift» in den Sinn – was allerd­ings, umgekehrt angedacht, das gle­iche bedeutet: Hier sind in meinem Amt die Gren­zen – die schöpfe ich aus (oder gehe eben nur bis dahin). Ich lenke den Blick jet­zt aber nicht auf die öffentlichen Ämter, son­dern auf die Kul­turbe­triebe.

Ich stelle mir schon länger die Fra­gen, warum Zürich in Sachen Kul­tur ver­gle­ich­sweise wenig von sich hören macht. Mit einem gewalti­gen Bud­get von rund 163 Mil­lio­nen wird diese Stadt kul­turell bespielt, aber das hört man nicht. Das Gle­iche gilt für Genf (259 Mil­lio­nen Franken / Zahlen Patrick Schel­len­bauer, Schweiz­er Monat 2014). Mir fehlt das Echo, welch­es dieses Geld her­vor­rufen sollte. Das liegt nicht daran, dass es falsch einge­set­zt wird, aber es ist nicht sicht­bar, was damit geschieht. Pro Jahr wer­den in der Schweiz 2.6 Mil­liar­den Franken von der öffentlichen Hand in die Kul­tur investiert. Ist das Nach­haltig?

Das grosse Geld wird nicht an die Kün­st­lerIn­nen aus­bezahlt, son­dern an grosse Insti­tu­tio­nen, Häuser, Organ­i­sa­tio­nen. Und es ist ver­ständlich, dass zum Teil die Infra­struk­tur, die Gebäude, Logis­tik, Ver­sicherun­gen, etc…, grosse Sum­men ver­schlin­gen. Eine Albert Anker-Samm­lung ist ver­sicherung­stech­nisch ein Alp­traum, und die Werke lassen sich deswe­gen kaum ausstellen. Auch sind die Mieten nicht zu unter­schätzen. Oft­mals wird eine Insti­tu­tion mit ein­er grossen Summe sub­ven­tion­iert – doch wird das Geld gle­ich weit­er an die oft öffentliche Liegen­schaftsver­wal­tung aus­bezahlt. Die Finanzierung des eigentlichen Pro­gramms und der Mitar­bei­t­erIn­nen ist dann kaum noch zu bewälti­gen. Diese Zahlen sagen also nichts aus. Und es ist auch nicht intel­li­gent, unter solchen Bedin­gun­gen eine «Pro-Kopf-Aus­gabe» zu berech­nen. Die Frage, wie viel Per­son­al es braucht, um ein The­ater, einen Musik­be­trieb, einen Kun­st-Ort zu betreiben, ist eben­falls kaum zu beant­worten. Möchte man gerne, weil durch öffentlich­es Geld eine ver­meintlich gewollte Steuerung nahe liegt, doch die gibt es auch in der Wirtschaft nicht; und wenn wir den Kul­turbe­trieb mit dem Gesund­heitswe­sen ver­gle­ichen, sehen wir die selbe End­loss­chlaufe.

Trotz­dem bin ich immer noch der Mei­n­ung, dass wir auf dem Weg der let­zten 40 Jahre der Kul­tur­förderung ein Chaos angerichtet haben, welch­es uns mehr und mehr der kreativ­en Kul­tur beraubt, statt sie stark und ausstrahlend zu machen.

Das Haupt­prob­lem sehe ich in der Ver­mis­chung der finanziellen Pflicht­en. Es gibt keine Richtlin­ien, die ein­heitlich über das Land eine Ver­gle­ich­barkeit oder Effizien­zsteigerung ermöglichen. Durch öffentlich­es Geld mit­fi­nanzierte Organ­i­sa­tio­nen müssen mein­er Ansicht nach zeit­gemässere und pro­fes­sionellere Fir­men­struk­turen vor­weisen, als sie es heute tun. Damit meine ich pro­fes­sionellere Per­son­alführung, Arbeit­stech­niken, Betrieb­skonzepte, die auf mark­twirtschaftlichen Über­legun­gen basieren. Wirk­liche Inno­va­tion find­en wir im Kul­turbe­trieb kaum. Mit mark­twirtschaftlichen Über­legun­gen meine ich aber nicht kos­ten­deck­ende Kul­turbe­triebe, son­dern Arbeit­stech­niken, Organ­i­sa­tions­for­men – vor allem aber effizien­tere Kom­mu­nika­tion gegen aussen. Die Sub­ven­tio­nen sind in den let­zten 15 Jahren stetig angestiegen, kaum ein Betrieb arbeit­et noch mit den gle­ichen Bud­gets, wie Anno dazu­mal. Durch dieses «Grun­deinkom­men» ist nie­mand mehr unter Druck und nie­mand mehr in der Pflicht. Die Poli­tik hat Ein­rich­tun­gen geschaf­fen, die wie Beamten­be­triebe funk­tion­ieren: An Feierta­gen wird nicht mehr gear­beit­et, und die Anstel­lun­gen sind gew­erkschaft­skon­form. Das wäre eigentlich eine gute Entwick­lung – allerd­ings erhal­ten ja eben ger­ade nicht die Kün­st­lerIn­nen dieses Geld, son­dern die Organ­i­sa­tio­nen, die Ver­wal­terIn­nen der Kün­ste. Für die Kreation kann nicht mehr investiert wer­den – damit sie vielle­icht grössere Schritte unternehmen kön­nte –, son­dern die Kul­turver­wal­tung wird aufge­bauscht. Und eben nicht ein­mal von der öffentlichen Hand, son­dern von der Kul­tur­branche sel­ber. Das ist irgend­wie grotesk.

Am 17. Feb­ru­ar wurde von Ringi­er verkün­det, dass sie sie das Flag­gschiff der Kun­st­magazine, «Monopol», und das poli­tis­che Kul­tur­magazin «Cicero» abstossen. Das waren ein­mal meine Vor­bilder in der eitschriften­welt. Zwar klingt die Pressemit­teilung sehr pos­i­tiv – sog­ar zu den angekündigten Ent­las­sun­gen. Aber selb­st dem Grossver­lag Ringi­er ist es nicht gelun­gen, seit der Grün­dung von «Cicero» vor zwölf Jahren und der Über­nahme von «Monopol» im Jahr 2006, diese Titel prof­ita­bel zu betreiben. Gemäss dem «Spiegel« erwirtschafteten die Zeitschriften jährlich je eine Mil­lion Defiz­it. Und warum? Beim «Monopol» unter anderem weil die Kul­turbe­triebe es nicht nötig haben, sich zu bewer­ben, um Pub­likum und Aufmerk­samkeit zu buhlen. Selb­st deren Fach­magazine gehen ein, da die Branche kein Geld in ihre eigene Pub­likum­s­presse investiert. Man investiert in sich sel­ber, in die Löhne, und kauft Pro­duk­tio­nen ein oder will sel­ber kün­st­lerisch tätig sein – doch das ist nicht nach­haltig und schreibt keine Geschichte. Die Besucherzahlen der Ver­anstal­terIn­nen wer­den noch beschönigt, aber die gesellschaftliche Ent­frem­dung der Kul­tur­pro­duk­tion ist voll im Gang. Und die einzige Antwort aus der Kul­tur ist: Wir brauchen ein neues Kul­tur­magazin. Wir brauchen mehr Geld.

Entsch­ieden: Nein.

 

Artikel online veröffentlicht: 8. März 2016 – aktualisiert am 17. März 2019