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Good Night, Good Luck!

Von Lukas Vogel­sang - Da ist immer die Rede davon, dass die Medi­en in ein­er Krise steck­en. Die Wer­bung geht, der Inhalt wird dünn und dumm. Die PR-Leute sind schuld und der Staat, die Wer­bung und über­haupt. In Sprechchören vere­int ziehen wir Medi­en­leute, die neuen Reit­er der Botschaft, durch das Land und verkün­den, wie schlimm alles ist. Der Wel­tun­ter­gang naht, poli­tis­ches Han­deln ist gefragt und mehr Geld… Notabene fra­gen vor allem die Jour­nal­istIn­nen nach der Hand­lung und die Ver­lage nach dem Geld. Nach dem «Klag-oh-weh-Konz­ert» klopft man sich gegen­seit­ig auf die Schul­tern und über­legt sich den näch­sten Kar­ri­ereschritt, das Design des neuen Fernsehstu­dios oder die Anschaf­fung ein­er neuen Druck­mas­chine.

Man muss jet­zt ver­ste­hen, dass es die Ver­lagschefInnen und die Jour­nal­istIn­nen sind, eben Men­schen, die sich hin­ter dem Wort MEDIEN vere­inen. Wir sind es, ich mit eingeschlossen, welche diesen Medi­en­müll sel­ber pro­duzieren und von der Gesellschaft ins Kri­tik­feuer ger­at­en. Da ist keine fremde Macht am Werk, nur ein ver­lorenes Gesicht. Der Beruf­s­stand Jour­nal­istIn hat sich sel­ber gestürzt, der Ver­lag sich sel­ber aus­ge­beutet. Das Bild von der ele­mentaren Wichtigkeit der Medi­en hat sich durch unsere eige­nen Bil­lig­pro­duk­tio­nen verunglimpft, ist erset­zbar gewor­den und unre­al. Wir haben bere­its jet­zt eine Unmenge an News-Tageszeitun­gen, News-Fernsehsendun­gen und News-Radios, Newslet­tern, News­re­ports, News­portal­en, News am Mor­gen und News am Abend, News per Handy und News­news. News: Ich habe Kopfweh von den ganzen News. Aber dem nicht genug: In Zürich hat ein regel­rechter Boom auf noch mehr «Gratistages­newszeitun­gen» Einzug. Die Tagi-News und die Zürisee-News kämpfen um die neusten News. Der Zürich­see wird in ein paar Jahren eine Papier­ma­ché-Pfütze, die Aar­gauer ziehen bere­its nach, der Südosten hält mit, die Welschen haben doch erst den Markt ent­deckt und just, wenn eben die Mark­tzahlen kri­tisch sind, pub­lizieren die Ver­lage noch mehr neue Pro­duk­te als je zuvor. Es herrscht ein regel­recht schwindliger Medi­en­wahnsinn.

Aber auch TV-Sta­tio­nen pilzen aus dem Boden und eifern den Beruf­skol­le­gen vom Print nach. Zwar sind’s momen­tan oft regionale Sta­tio­nen oder ein 3+, doch auch sie schreien auf dem Mark­t­platz. Der Herr Walpen vom Schweiz­er Fernse­hen — als bestes Parade­beispiel und Ver­legervor­bild hat dazu den Bogen schon mas­sig überspan­nt, indem er erst ankündigte, dass die SRG-Gebühren erhöht wer­den müssten. Als er dann merk­te, dass sein Vorschlag auf Kri­tik stiess, fing er an, die Erpressertrom­mel zu schwin­gen: sink­ende Qual­ität, Stre­ichen vom TV-Pro­gram­men und Stellen, untrag­bare Zustände und weit­eres bla, bla, bla… Als hätte dies ein Zusam­men­hang. Und wir? Wir schal­ten schon jet­zt ab — lei­der (oder: leserbrief@ensuite.ch!).

Unter dem Mot­to «Jour­nal­is­mus gestern und heute» trafen sich dann die Bern­er Jour­nis (wir gehören ja auch zum nationalen Medi­en­filz) zum 16. Medi­en­tag (18. Novem­ber 2006 in der Uni Bern), ein Schul­terk­lopf­tag. Das abschreck­ende The­ma schlug mich in die Flucht. Aber tat­säch­lich: Es kann um die Medi­en nicht gut ste­hen, wenn sie in der Ver­gan­gen­heit zu grü­beln begin­nen. Anstatt ein halb­wegs vernün­ftiges Konkur­renz­bild aufzubauen und sich gegen­seit­ig durch besseren Jour­nal­is­mus zu über­bi­eten, um damit LeserIn­nen zu gewin­nen, jam­mern diese unsere Helden nun gemein­sam an Ther­a­pie-Work­shops. Über das Faz­it dieser Tagung kann man nur lästern: «Nicht bess­er, aber anders…». Zu hof­fen, dass man dafür keinen akademis­chen Titel tra­gen muss.

Das ist die wirk­liche Welt der Medi­en. Deswe­gen, liebe LeserIn­nen, wir sind nicht wirk­lich böse, wenn Sie sich von uns MEDIEN abwen­den, nicht mehr lesen oder abschal­ten, nicht mehr abon­nieren, uns nur noch als Ihre externe Pro­mo­tion-Abteilung miss­brauchen, keine Leser­briefe mehr schreiben oder sich gar nicht mehr inter­essieren, was wir Ihnen vorzustellen ver­suchen.

Deswe­gen die schlicht­en (schlecht­en?) News: WIR MEDIEN haben ver­sagt.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, Dezem­ber 2006