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Von Chris­tine Wan­ner - Ein neues Zeital­ter bricht an! Wir ste­hen an der Schwelle zur Infor­ma­tion­s­ge­sellschaft. Investieren Sie in Ihr Wis­sen, in Tech­nolo­gie-Aktien, besuchen Sie Com­put­erkurse und auch solche, die Ihnen den Weg durch das weltweite Netz weisen Ja, wer wollte nicht dazuge­hören, zu dieser Rev­o­lu­tion, die uns das Hyper­me­di­um Inter­net Mitte der Neuziger-Jahre bescherte. Schliesslich real­isierte es den alten Traum vom anar­chisch organ­isierten Kom­mu­nika­tion­s­mit­tel, das die Welt zu einem glob­alen Dorf schrumpfen lässt und uns alle zu poten­tiellen Infor­ma­tions-Ver­mit­t­lerin­nen und ‑Empfängern macht.

Nun gut, lassen wir das. Der Fall kam früh genug und er war tief. Nicht nur jen­er der Aktien-Kurse, auch wir trafen hart auf, so dass die Vision arg erschüt­tert wurde. Sei­ther trösten wir uns mit SMS-Kursen, deck­en uns ein mit Bre­it­band-Anschlüssen, damit wir schneller gratis Musik aus dem Netz herun­ter­laden kön­nen, träu­men vom Alles-in-Einem-Gerät. Der­weil hat sich auch die Vision vom Sturz erholt. Sie hat sich aufger­ap­pelt und beflügelt nun die poli­tis­che Agen­da der UNO.

Bis 2015 will Kofi Annan alle Orte der Welt angeschlossen haben, um mit Bil­dung Per­spek­tiv­en aus der Armut zu schaf­fen. Um den dig­i­tal­en Graben zu ver­ringern, der das glob­ale Dorf spal­tet. Der dig­i­tale Graben ver­läuft ent­lang der Einkom­men­skurve und dem Bil­dungsniveau. Ger­ade mal 15 Prozent der Welt­bevölkerung ste­ht an der Schwelle zur Infor­ma­tion­s­ge­sellschaft, mit dreizehn­mal mehr Com­put­ern, neun­mal mehr Inter­net- und vier­mal mehr Tele­fonzugän­gen als die restlichen 85 Prozent der Men­schheit.

Um dieses krasse Ver­hält­nis zu niv­el­lieren, trafen sich inter­na­tionale Polit­grössen, VertreterIn­nen der UNO und weit­eren Organ­i­sa­tio­nen zum Welt-Infor­ma­tion­s­gipfel. Nach Genf im Jahr 2003 lud nun Tunis zu Gesprächen, nach all­ge­mein­verbindlichen, mehrheits­fähi­gen Zusagen nun also konkrete Pläne und vor allem finanzielle Mit­tel, um der Vision einen Klick näher zu kom­men.

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Die The­o­rie sagt: Wer sich an einem Net­zw­erk beteiligt, erhöht den Nutzen aller. Täglich sollen etwa 7 Mil­lio­nen neue Web­seit­en entste­hen. Allerd­ings steigen die Kosten eines Inter­net-Anschlusses, je weit­er weg er sich von den Zen­tren befind­et. In den USA und Europa liegen die «Date­nau­to­bah­nen», die bre­it­en Leitun­gen, die schnellen Anschlüsse, die Soft­ware-Patente.

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Inter­es­sante Antworten kom­men aus den Län­dern, die den Anschluss suchen, selb­st etwa aus Banglade­sch: Nicht ein­mal ein Prozent der Banglade­schi ver­fügt über einen Inter­net-Anschluss. Wie in anderen Entwick­lungslän­dern kommt es laufend zu Stro­munter­brüchen. Pri­vate Radiound Fernsehsta­tio­nen sind rel­a­tiv frei, die Print­me­di­en eben­falls. Eine Mehrheit der Bevölkerung kann wed­er lesen noch schreiben. Doch das Bil­lig-Mobil­tele­fon boomt. Lanciert wurde es von der Grameen­Bank, die sich als «Begrün­derin» der Mikrokred­ite inter­na­tionales Renom­mee einge­holt hat. Nur mit kostengün­sti­gen Pro­duk­ten kann das Gefälle über­brückt wer­den. Am Welt­in­for­ma­tion­s­gipfel präsen­tierte das Mass­a­chus­setts Insti­tute of Tech­nol­o­gy einen net­zfähi­gen, kabel­losen Lap­top, der mit kosten­freier Soft­ware läuft — das Vorzeigeob­jekt, das den Bedin­gun­gen in den Entwick­lungslän­dern Rech­nung trägt. Kün­ftiger Kosten­punkt: 100 Dol­lar.

Zum Abschluss des Gipfels einigten sich die Län­dervertreter auf einen Fonds, aus dem solche und weit­ere Pro­jek­te finanziert wer­den sollen. Klingt gut. Klingt wiederum nach Vision und Visio­nen sind essen­tiell für die Men­schheit. Sind essen­tiell für den Fortbe­stand, um den ger­ade «Glob­al Play­ers» wet­teifern. Die skan­di­navis­chen Handy-Her­steller inter­essieren sich für Beteili­gun­gen an den banglade­sis­chen Telekom-Unternehmen. Fir­men wie Microsoft und Hewlet Packard wollen sich tatkräftig dafür ein­set­zen, dass bis 2015 jedes Dorf angeschlossen ist. Dass sie mit jedem Dorf ver­net­zt sind. Immer­hin han­delt es sich um 85 Prozent der Welt­bevölkerung. Welch unaus­geschöpftes Poten­tial.

Die Vision Infor­ma­tion­s­ge­sellschaft, so ler­nen wir, ist trotz den Chan­cen, die sie bietet und der Euphorie keine bessere Gesellschafts­form als die Agrar- oder die Indus­triege­sellschaft.

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Für Wissbegierige:

www.infosociety.ch
www.itu.int/wsis/tunis/newsroom/stats/index.html
Le Monde diplo­ma­tique: Atlas der Glob­al­isierung (tazVer­lag 2003)

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch

ensuite, Dezem­ber 2005

Artikel online veröffentlicht: 20. Juli 2017