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Instant Karma

Von Tat­jana Rüegseg­ger - Die englis­chen Young­sters von The Kooks haben einen ras­an­ten Kar­ri­er­estart hin­gelegt: 2006 veröf­fentlicht­en die Jungs aus Brighton, blutjung mit einem Durch­schnittsalter von cir­ca 19, ihr Debü­tal­bum «Inside In/Inside Out» und wur­den die neuen Sterne am Indiehim­mel. Über­füllte Sta­di­en, 1.5 Mil­lio­nen verkaufte CDs und die vorder­sten Plätze in den Charts waren die Bilanz des Erstlings. Während sich die Musikjour­nal­is­ten über Music Pro­mo­tion Net­work aufregten und ver­sucht­en, eine Sta­tis­tik über den durch­schnit­tlichen Spritzenkon­sum von Amy Wine­house und die damit zusam­men­hän­gende Umweltver­schmutzung aufzustellen, kehrten sich die Kooks in ihr Inneres und begaben sich auf eine spir­ituelle Reise durch die Musik. Wie früher die Bea­t­les, haben auch die Kooks ihren per­sön­lichen spir­ituellen Lehrer, einen Mahar­ishi, gefun­den: eine Fechter­sch­necke (engl. Conch: Wikipedia!), zu deren Ehre sog­ar die zweite Plat­te benan­nt wurde. Hugh Har­ris nahm uns mit auf einen Kar­ma­trip, bei dem er über Fechter­sch­neck­en und Gitar­ren philoso­phiert und uns erk­lärt, dass Englän­der Fuss­ball­ni­eten sind.

 Hal­lo Hugh! Wie läuft die Pro­mo­tour für euer zweites Album «Konk»?

Ganz ok. Wir waren bere­its in Bel­gien, Hol­land, Frankre­ich, Ital­ien… es ist ziem­lich anstren­gend. Aber wir wer­den gut betreut und umhegt, wir wer­den die ganze Zeit chic zum Nacht­essen aus­ge­führt. (lacht)

 Ist das ein echt­es Tat­too, das du auf dein­er Hand trägst? (eine rote, aufge­hende Sonne, die wie ein religiös­es Sym­bol aussieht)

Ja, das hat mir ein Typ, den ich in Japan in einem Lift getrof­fen habe, gemacht. Jedes mal, wenn du einen West­ler in Japan antriff­st, freust du dich und fängst an zu reden. Er sagte, er würde es mir gratis machen. Ein­fach so.

 Hat es eine Bedeu­tung?

Die japanis­che Flagge zeigt eine aufge­hende Sonne. Ich denke, ich habe es mir stechen lassen weil ich mich zu diesem Zeit­punkt in meinem Leben auch wie eine aufge­hende Sonne fühlte. Jet­zt bin ich eine Mit­tagssonne, da ich so um die 30, 40 bin.

 Was? Nein, du bist doch noch nicht 30?

Doch, ich werde jet­zt 35. (mit ein­er todern­sten Miene)

 Wirk­lich?

Nein. Sich­er nicht. (Alle brechen in Gelächter aus) Ich bin 20.

 Fan­gen wir mal mit ein­er ern­sten Frage an. Gibt es einen Gedanken, der das Album wie ein rot­er Faden durchzieht?

Sex.

 Aha…

Nein. (lacht) Es gibt viele Sachen, die uns inspiri­ert haben. Alles was man so gerne tut. Da gibt’s nicht nur ein The­ma. Es sind eigentlich nur Emo­tio­nen und Beziehun­gen.

 Welche Entwick­lung habt ihr aus musikalis­ch­er Sicht durchgemacht? Denkst du ihr habt euren Stil stark verän­dert?

Was denkst du?

 Es ist nicht mehr so akustisch.

Das stimmt. Wir hat­ten zwei Jahre, um uns zu entwick­eln, um älter zu wer­den. Dabei woll­ten wir uns aber nicht in eine kom­plett andere Rich­tung bewe­gen, und plöt­zlich ein Elek­tro-Album pro­duzieren oder wie Radio­head klin­gen. Wir sind eine ehrliche Band, bleiben uns treu und wollen nicht etwas Neues machen, nur um inno­v­a­tiv zu sein. Das zweite Album ist viel struk­turi­ert­er. Auf der ersten Plat­te sind wir von Genre zu Genre gehüpft. Wir hat­ten keine Idee, wie wir klin­gen soll­ten. Jet­zt sind wir bess­er gewor­den und wis­sen das auch eher. Wir haben mehr Freiraum.

 Für viele Per­so­n­en ist der akustis­che Sound charak­ter­is­tisch für eure Band.

Ja, das kann ich ver­ste­hen. Alle unsere Lieder wer­den von der akustis­chen Gitarre getra­gen. Aber Live kön­nen wir auch wie eine Punk-Band klin­gen. Es ist gut ver­schiedene Seit­en zu zeigen. Das zweite Album ist sicher­lich elek­trisch­er. Ohne Zweifel. Akustis­che Lieder sind auch drauf, so wie «One last time» oder «Sway» die ein wenig «Jing­ly­Jan­g­ly» sind. «Shine on» dage­gen ist richtige elek­trische Gitar­ren­musik.

 Wieso habt ihr euer Album «Konk» genan­nt? Hat es eine bes­timmte Bedeu­tung?

Ein Konk ist ein Tier… Ein Schalen­tier, welch­es — sor­ry — einen 30 cm lan­gen Penis auf dem Kopf hat, zwei Augen und in ein­er Muschel am Meeres­bo­den lebt.

 Ist das wieder ein­er dein­er Spässe?

Nein, nein! Das ist wirk­lich so! In Eng­land nen­nt man das auch «Conch», was auch «Muschel» bedeutet. Aber das hat über­haupt keinen Bezug zu unserem Album. (grinst) Wir haben es nach unserem Stu­dio benan­nt, welch­es Konk heisst. Dieser Ort bedeutet sehr viel für uns, da wir unsere bei­den Alben dort aufgenom­men haben und es wie ein zweites Zuhause für uns ist. Es ist wie eine Art Hom­mage an unser Stu­dio. Ein spir­ituelles Zuhause.

 Das bringt uns ger­ade zur näch­ste Frage: Glaub­st du an Kar­ma?

Sich­er! Klar! Kar­ma ist die fairste Art, dein Leben zu führen. Ich glaube, dass jed­er Men­sch eine Seele hat. Religiös bin ich nicht wirk­lich. Ich halte nichts von der Kirche, die von dir Geld ver­langt, damit du in den Him­mel kommst. Aber ich glaube an einen spir­ituellen Gott, den wir alle in uns tra­gen. Nicht ein­er, der teil­nahm­s­los im Him­mel sitzt. Ich weiss, dass ich auf mein Herz und meinen Geist ver­trauen kann und diese mich auf den richti­gen Weg brin­gen wer­den. Viele Leute kön­nen das nicht, und brauchen deswe­gen eine höhere Macht, auf die sie ver­trauen kön­nen.

 Was ist mit Schick­sal?

Ich glaube an Schick­sal, wenn ich es brauche. Aber ich mag das nicht. Der Gedanke ist zu kon­trol­lierend. Ich glaube an Schick­sal, wenn ich in einem Flugzeug bin: Wenn es dazu bes­timmt ist, abzustürzen, dann wird es auch abstürzen. Anson­sten brauche ich nicht daran zu glauben. Auss­er wenn was Schlecht­es passiert, denn dann weiss ich, dass es ein­fach passieren musste, und so kann ich auch pro­bieren, etwas Pos­i­tives daran zu sehen. Es wäre bil­lig, wenn ich alles auf Schick­sal zurück­führen würde. Wenn du etwas machst, was dich glück­lich macht, dann musst du nur daran glauben, und du wirst auch dort ankom­men, wo du hin willst… Das ist eine sehr spir­ituelle Kon­ver­sa­tion, die wir hier führen. Ich mag das.

 Wenn du wiederge­boren wer­den müsstest, was würdest du am lieb­sten sein?

Eigentlich will ich gar nicht wiederge­boren wer­den. Aber ich bin mir sich­er, es wäre lustig, ein Paar Unter­ho­sen zu sein.

 Und wenn es ein alko­holis­ches Getränk sein müsste?

Das ist mir eigentlich egal. (lacht) Ich weiss nicht, welch­er Alko­hol bringt am meis­ten Spass? Oder, oh nein, ich möchte als sehr exk­lu­siv­er teur­er Wein wiederge­boren wer­den. Dann hätte ich ein sehr langes Leben, denn alle wür­den Angst haben mich zu trinken. Dann kön­nte ich ein stilles Leben in mein­er sauberen Flasche führen, vor mich hin­fer­men­tierend.

 Als ein teur­er franzö­sis­ch­er Wein, wie Château St.Petrus.

Wow, kannst du Franzö­sisch?

 Naja, ein wenig. Kannst du auch andere Fremd­sprachen? Oder bist du durch und durch Englän­der?

Nein, ich bin zur Hälfte Aus­tralier.

 Die haben doch so einen tollen Akzent!

Die ner­ven!

 Wieso?

Die haben immer so eine gute Laune und wollen, dass du auch dauer­fröh­lich bist. Wenn du mal nicht strahlend durch die Gegend läuf­st, fra­gen sie dich gle­ich, was du hast.

 Aus­tralien hat doch immer so geiles Wet­ter, schon klar, sind sie so gut drauf. Eng­land vs. Aus­tralien…

Genau! Mein Vater ist Aus­tralier.

 Ist er auch so eine fro­he Natur?

Nein, eben nicht mehr. Er lebt ja in Eng­land. Er war trau­rig in Aus­tralien und das kon­nte er dort nicht sein. Darum kam er nach Eng­land, um mit allen Andern unglück­lich zu sein.

 Denkst du wirk­lich so über die englis­che Men­tal­ität?

Ja! Dort sind alle so scheisse drauf. Die kön­nen gar nicht anders. Manch­mal möcht­est du sie am lieb­sten durch­schüt­teln und sagen: Wenn du so unglück­lich bist, dann bring dich doch um oder mach irgend­was, aber hör auf, andere Leute zu ner­ven. Aber ich liebe Eng­land, ich liebe British­ness. (verträumt) Ich liebe Charles Dick­ens Eng­land, schöne Häuser, und Oxford Eng­land, Pick­nicks, Scones und Tee, im grü­nen Crick­et schauen oder Pfer­deren­nen. Das ist schön. Dann gibt’s eine andere Seite von Eng­land, die ist ein­fach… erbärm­lich.

 Was war die erste CD, die du gekauft hast?

Ich glaube es war «What’s the sto­ry (Morn­ing glo­ry)» von Oasis. Die waren meine Helden. Anson­sten habe ich viel ABBA gehört wegen meinen Eltern. Als klein­er Junge tanzte ich immer zu «Danc­ing Queen». Bis ich dann real­isierte, wie schwul das eigentlich war. Aber ich tu es immer noch. (lacht) Was gibt’s bei euch so Pein­lich­es?

 Hm… Die Pet Shop Boys?

Wuah! Die haben’s echt drauf. Ich habe sie mal live gese­hen, und die haben eigentlich alles abge­spielt. Ein­fach den Sound von der CD spie­len lassen. Das möchte ich auch mal machen, auf die Bühne kom­men und dann unsere Plat­te laufen lassen und ein­fach da ste­hen. Das wäre so lustig. Es ist witzig, wenn du Wer­bung machst für ein Konz­ert, dann sagst du: «Komm und schau dir die Kooks an!». Eigentlich bist du nicht daran gebun­den, Musik zu machen. Irgend­wann wer­den wir, vor 4000 Zuschauern, ein Sofa und eine Bar auf die Bühne lassen und wir wer­den uns ein­fach hin­set­zen und ein Bierchen trinken und unsere Fre­unde ein­laden und so eine Par­ty steigen lassen. «Du woll­test die Kooks sehen. Nie­mand hat gesagt, wir wür­den was spie­len.»

 Nervt es dich nicht, dass Eng­land nicht an der EM ist?

Nein, nicht wirk­lich. Wir waren nie wirk­lich gut.

 Wie, ihr wart nie gut? Ihr seid eine Fuss­ball­na­tion. Man­ches­ter, Arse­nal, Chelsea. Beck­hams link­er Fuss!

Beck­hams link­er Fuss?! Eng­land ist zwar eine Fuss­ball­na­tion, aber wir haben nie was gewon­nen. Nicht seit 1966. Wir denken, wir sind die Besten, doch das sind wir nicht.

 Stimmt eigentlich…

Und wir sind soooo arro­gant: «Wir haben Fuss­ball erfun­den». Das ist vol­lkom­men egal, wir sind trotz­dem scheisse. Und Man­ches­ter, Arse­nal und so, das sind alles aus­ländis­che Spiel­er. Die sind nicht aus Eng­land, nicht aus Chelsea. Ich bin aus Chelsea! Sie sind es nicht.

 Wer wird dein­er Mei­n­ung nach die EM gewin­nen?

Eng­land!

Bild: The Kooks (Hugh Har­ris oben links), zVg.
ensuite, Mai 2008