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Männer auf dem Vormarsch

Von Klaus Bonano­mi - Wie wird der Bun­desrat nach dem 10. Dezem­ber ausse­hen? Mit Christoph Blocher oder mit Franz Steineg­ger, mit der SVP oder ohne sie, mit den Grü­nen oder gar ohne die SP? Welche Vari­ante wäre die beste, welche die wahrschein­lich­ste, und welch­es wäre das Worst-Case-Szenario? Aller­lei tak­tis­che und strate­gis­che Über­legun­gen machen derzeit die Runde, und bis zur Nacht vor dem Wahlt­ag bleibt noch viel Zeit für Rech­nereien, Kulis­senschiebereien und Nebelpetar­den. Nur eine Frage wird kaum je gestellt: Wird es endlich einen Bun­desrat mit ein­er angemesse­nen Frauen­vertre­tung geben, also mit drei oder gar vier Bun­desrätin­nen? Derzeit sind im Gegen­teil sog­ar Szenar­ien für einen rein männlichen Bun­desrat denkbar — indem Ruth Met­zler im höheren staats- und parteipoli­tis­chen Inter­esse san­ft zum Rück­tritt gedrängt und Miche­line Calmy-Rey von den vere­inigten Bürg­er­lichen unsan­ft abgewählt wer­den kön­nte.

„Vor 10 Jahren löste Chris­tiane Brun­ners Nicht­wahl Proteste aus. Heute ist nicht ein­mal die allfäl­lige Abwahl ein­er Bun­desrätin ein The­ma“, schrieb kür­zlich die Bern­er Zeitung — und brachte damit das Nicht-The­ma immer­hin wieder ein biss­chen ins öffentliche Bewusst­sein. Doch zum grossen The­ma wird die Frauen­frage in diesem Herb­st nicht. Im Gegen­teil, allen­thal­ben ist eher von einem frauen­poli­tis­chen Back­lash die Rede und die Schreibe.

Vielle­icht hil­ft ein Blick in die Redak­tion­sstuben und Chefe­ta­gen der Schweiz­er Medi­en zur Erk­lärung: Keine der 15 grössten Schweiz­er Tageszeitun­gen wird von ein­er Frau geführt, und auch die auflages­tarken Mag­a­zine wer­den von Män­nern geleit­et, ausgenom­men typ­is­che Frauen­zeitschriften wie die Annabelle. Immer­hin hat Schweiz­er Radio DRS eine Frau an der Spitze der Abteilung Infor­ma­tion, und am Leutschen­bach gibt kün­ftig eine Direk­torin beim Schweiz­er Fernse­hen den Takt an. Doch das sind Aus­nah­men; typ­is­ch­er ist das Beispiel der Welt­woche: Unter dem seit zwei Jahren amtieren­den Boss Roger Köp­pel haben viele pro­fil­ierte Frauen wie Gun­hild Kübler, Vera Bueller, Kathrin Meier-Rust, Esther Girs­berg­er oder Margrit Sprech­er die Welt­woche-Redak­tion ver­lassen; das Ver­hält­nis zwis­chen Frauen und Män­nern liegt heute bei eins zu fünf.

Dass dieser Back­lash für die Frauen bei der Welt­woche ein­her geht mit einem poli­tis­chen Recht­srutsch in der Berichter­stat­tung, ist für mich kein Wun­der und kein Zufall. Genau­sowenig wie es Zufall ist, dass

die Wahlsiegerin zur Recht­en, die SVP, in ihrer neuerd­ings 63-köp­fi­gen Bun­de­shaus-Frak­tion ganze 3 (in Worten: DREI!) Frauen zählt. Im Kan­ton Zürich allein stellt die SVP 12 Nation­al­räte — alles Män­ner. Noch immer sind Fraue­nan­liegen bei den linken Parteien bess­er aufge­hoben; in der SP-Frak­tion sind 28 von 61 Par­la­men­tari­erIn­nen Frauen, und die Grü­nen delegieren sog­ar eine Frauen­mehrheit ins Par­la­ment. Anders gesagt: Wer wie Roger Köp­pel und seine Jungs von der „Welt­woche“ vor den Wahlen unver­hoh­lene Pro­pa­gan­da für die SVP macht, unter­stützt nicht nur den Vor­marsch der Rechts­bürg­er­lichen, son­dern auch den der Män­ner.

Hof­fen wir darum, dass der Bun­desrat nach dem 10. Dezem­ber nicht so aussieht, wie ihn sich die Welt­woche vorstellt. Köp­pels Kom­men­tar über den unseli­gen Wahlsieger Blocher in der Welt­woche vom 23. Okto­ber trug näm­lich den Titel „Seligsprechung“.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch

ensuite, Dezem­ber 2003

Artikel online veröffentlicht: 19. Mai 2017