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«Mein Film ist ein Spiel mit der Fiktion, eine Phantasie»

Von Sarah Stäh­li - Ein Gespräch mit Filmemach­er Thomas Imbach über seinen neuen Film «I was a Swiss Banker»

Sie haben «I Was a Swiss Banker» als Zwill­ings­film von «Lenz» beze­ich­net. Was verbindet die bei­den Filme?

Als ich mit dem Win­ter­film «Lenz» begonnen hat­te, wusste ich, dass es ein Film wird, der mich per­sön­lich sehr fordern wird. Ich hat­te das Bedürf­nis, aber auch Lust dazu, emo­tion­al ein Gegengewicht zu diesem drama­tis­chen Stoff zu schaf­fen. Eine Art Yin-Yang-Pro­jekt. Mit dem Som­mer­märchen «I Was a Swiss Banker» ver­suche ich, beim Zuschauer die Empfind­ung eines Schmetter­lings, der über die Wange stre­icht, her­vorzu­rufen.

Die ursprüngliche Absicht war, den Film spon­tan während dreier Wochen zu drehen. Aus diesen drei Wochen sind dann drei Jahre gewor­den. Im Som­mer haben wir am «Swiss Banker» gear­beit­et, unter Wass­er, im Win­ter am «Lenz» auf dem Gletsch­er. Die bei­den Filme gehören für mich inner­lich zusam­men; bei­de beschäfti­gen sich mit Sehn­sucht, jedoch auf ganz unter­schiedliche Art und Weise. Sie bilden ein Ganzes, funk­tion­ieren aber als eigen­ständi­ge Filme.

Für mich war es frucht­bar und kreativ, die bei­den Pro­jek­te par­al­lel zu real­isieren. Pro­duk­tionell war es jedoch umso schwieriger. «I Was a Swiss Banker» brauchte mehr Zeit, weil wir nur wenige Wochen im Jahr unter Wass­er drehen kon­nten und für diesen Film keine der grossen Förderun­gen vorhan­den war.

Haben die zwei Haupt­fig­uren, Roger der Banker und Lenz, etwas gemein­sam? Auf den ersten Blick wirken sie sehr ver­schieden.

Sie gehen bei­de auf eine Odyssee, bei­de greifen nach den Ster­nen und stürzen ab. Wobei es bei Roger nicht ein­deutig wird, ist es eine Ret­tung oder ein Absturz, während bei Lenz klar ist: Es ist der Tod, wie lebendig begraben zu sein. Roger find­et zwar ein neues Leben, der Film lässt aber offen, ob dieses Glück von irdis­ch­er Natur ist.

Wie ist die Idee zum Film, zur Fig­ur ent­standen?

«I Was a Swiss Banker» habe ich ganz intu­itiv entwick­elt. Das erste, was mir spon­tan ein­fiel, war der Titel und dass der Banker vor der Polizei im Bodensee unter­tauchen würde. Als ich mit Roger unter Wass­er tauchte, tat sich ein Märchen­re­ich auf und die See­jungfrauen und Nix­en kamen hinzu. Roger sollte vom Bodensee zum Lac Léman durch die ganze Schweiz tauchen. Eine Her­aus­forderung war, dieses Unter­wasser­re­ich filmisch zu erschaf­fen. Ich nahm einen Tauchkurs, um unter Wass­er sel­ber die Kam­era führen zu kön­nen; ein­er­seits sparte ich damit eine Menge Geld und hat­te gle­ichzeit­ig einen direk­teren Draht zu meinen Schaus­piel­ern. Für das Cast­ing der Frauen­fig­uren reiste ich nach Skan­di­navien. Ich suchte Frauen, die ausse­hen, als kämen sie von hier, die aber trotz­dem eine exo­tis­che Wirkung haben; eine Inspi­ra­tion war mir z. B. Har­ri­et Ander­son aus Bergmans «Ein Som­mer mit Moni­ka». Dort fand ich Schaus­pielerin­nen, wie Mel­li­ka Melani, die im Film eine Palästi­nenserin spielt, sel­ber aber in Schwe­den aufgewach­sen ist oder Lale Yavas, die türkische Wurzeln hat und in der Schweiz aufgewach­sen ist. Diese Fig­uren ste­hen jet­zt auch für die mul­ti­kul­turelle Schweiz, durch die der Banker getrieben wird. Und die Frauen haben Roger in der Hand. Es ist eine Art umgekehrte Stereo­typ­ie: Der Mann ist das Sex­u­alob­jekt. 

Sie scheinen keine klare Lin­ie zwis­chen Doku­men­tar- und Spielfilm ziehen zu wollen, ver­mis­cht­en die bei­den in ihren früheren Fil­men oft. Gibt es auch in «I Was a Swiss Banker» doku­men­tarische Ele­mente?

«I Was a Swiss Banker» ist ein Spiel mit der Fik­tion, eine Phan­tasie. Und doch gibt es darin immer wieder Ein­brüche der Real­ität, zum Beispiel wenn Roger aus dem See eine Mauer hochk­let­tert und plöt­zlich platschnass in ein­er Garten­wirtschaft ste­ht, umgeben von echt­en Touris­ten und die Gäste authen­tisch auf sein Erscheinen reagieren. Die Märchen­stim­mung wird ja nicht mit Fan­ta­sy-Ele­menten erzeugt oder im Stu­dio rekon­stru­iert. Es ist die reale Schweiz, die im Film aus einem ver­rück­ten Blick­winkel betra­chtet und insze­niert wird.

Die Erzählstruk­tur in Ihrem neuen Film ist rel­a­tiv lin­ear im Ver­gle­ich zu beispiel­sweise «Hap­pi­ness Is a Warm Gun».

Bei «Hap­pi­ness Is a Warm Gun» wollte ich die Wirkung eines Schuss­es im Kopf des Zuschauers erzeu­gen, hier erzäh­le ich ein Märchen; dafür drängt sich eine lin­earere und leichtere Erzählweise auf. Der Zuschauer soll sich in diesen achtzig Minuten in einen schw­erelosen Zus­tand versenken kön­nen. Die einzige Hürde, die er nehmen muss, ist, dass der Film als eine Art Kri­mi begin­nt und dann zum Märchen wird.

Das Fil­mende ist dann wieder real­is­tis­ch­er.

Ja, aber nur schein­bar, denn der Schluss ist ja eigentlich noch märchen­hafter. Roger wird Bade­meis­ter, find­et seine Traum­frau und wird Vater. Man fragt sich: Ist er nun gerettet oder nicht? Kön­nen wir dem Märchen trauen?

Weshalb haben Sie sich für die Erzählstimme aus dem Off entsch­ieden?

Mit der Erzählstimme wollte ich eine Nähe zwis­chen der Haupt­fig­ur und dem Pub­likum erzeu­gen. Die hör­bare innere Stimme Rogers leit­et durch den Film. Ein Märchen muss wie ein Glasper­len­spiel funk­tion­ieren: bling, bling, bling.

Was hal­ten Sie von den Forderun­gen des Film­förder­ers Nico­las Bideau nach kom­merzielleren Fil­men?

Ich habe nichts gegen kom­merzielle Filme. Aber es wird nicht das sein, was den Schweiz­er Spielfilm aus dem Sumpf ziehen wird. Kom­merzielle Filme sind gut für die ein­heimis­che Branche, dafür, dass die Leute ins Kino gehen. Inter­na­tionale Aufmerk­samkeit schafft man aber nicht mit Fil­men, die nach einem Mar­ket­ingkonzept designt sind. Auch gegen diese Filme habe ich nichts, ich habe erst etwas dage­gen, wenn eine Mil­lion Steuergelder in einen Film investiert wer­den, der dann einen Riesen­gewinn macht. Dass diese Mit­tel nicht wieder in die Förderung zurück­fliessen, finde ich poli­tisch unhalt­bar. Die Forderung nach Kom­merz kommt mir vor wie eine Grippe, ein Virus, der die Film­land­schaft erfasst hat. Hof­fen wir, dass dieser Virus bald über­wun­den ist. «I Was a Swiss Banker» ist ausser­halb der klas­sis­chen Struk­turen ent­standen, wenn er gefördert wor­den wäre, sähe das Resul­tat vielle­icht anders aus. Es ist sehr viel «Freestyle» dabei. Klar ist das mit Risiko ver­bun­den. Man stürzt leichter ab, wenn man den Berg hin­auf ren­nt ohne Seile und Sicherun­gen. 

Sie haben ein­mal gesagt, jed­er Ihrer Filme sei ein Erstlings­film. Kön­nen Sie diese Aus­sage immer noch unterze­ich­nen?

Ich habe damit gemeint, pro­duk­tionell wären meine Filme bish­er Erstlings­filme gewe­sen und es wäre jet­zt langsam Zeit für einen Zweitling. Ich hat­te sehr viel per­sön­liche Ressourcen in den Film investiert, mein Umfeld aus­ge­beutet. Die Struk­tur im Team war immer sehr famil­iär. Ein kleines Team, in dem alle alles machen.

Die Aus­sage stimmt aber auch im Bezug darauf, dass ich mit jedem neuen Film eine neue Sprache erlerne, um meine Geschichte zu erzählen. Ich freue mich immer auf neue Aben­teuer.

Mein näch­stes Pro­jekt ist ein Kostüm­film, der im 16. Jahrhun­dert spielt: Zwei Frauen, Pferde und Land­schaften. Daneben arbeite ich an mein­er «Recherche du temps per­du», einem Langzeit­pro­jekt mit Bild- und Ton­ma­te­r­i­al aus den let­zten zwanzig Jahren. Ich habe mit der Zeit gel­ernt, dass es hil­fre­ich sein kann, an mehreren Pro­jek­ten gle­ichzeit­ig zu arbeit­en. Dadurch gewin­nt man Dis­tanz und es hil­ft, die Dinge vor­wärts zu treiben. Das ist das Span­nende am Filmemachen, dass man immer wieder in andere Arbeit­szusam­men­hänge beg­ibt, dass sich keine Rou­tine ein­stellen kann.

Gibt es einen Teil am Filmemachen, den Sie am meis­ten mögen?

Am wichtig­sten ist der Schnitt. Dort kommt man mit dem Film auf den Punkt. Ob es mein lieb­ster Teil ist, kann ich nicht sagen. Die Schnittphase ist eine Zeit der Ent­behrung. Der Dreh ist ein Aben­teuer, furcht­bar anstren­gend, jeden Tag ein Vier­tausender. Das Müh­selig­ste ist der Anfang, ein Pro­jekt in Bewe­gung zu brin­gen und der Welt mitzuteilen, dass man unbe­d­ingt einen Film zu diesem The­ma machen muss. Ein Pro­jekt im Rohzu­s­tand der Welt zu verkaufen, das ist eine Nuss, die ich noch nicht gek­nackt habe.

www.thomasimbach.ch

Bild: zVg.
ensuite, Sep­tem­ber 2007

 

Artikel online veröffentlicht: 9. September 2017