Von Lukas Vogelsang - Die SVP hat als einzige Partei begriffen, dass der Mensch eigentlich ein Schaf ist. Ein Schaf braucht einen Leithammel, sonst ist es ziemlich hilflos. Und da der Leithammel normalerweise eine DNA aus derselben Tiergattung trägt, stürzen sich alle Schafe mitsamt dem Chef in den Abgrund. Gefragt wird nicht dafür hat man ja den Leithammel. Und in ein paar Jahren wird die SVP sogar eine blochersche Evolutionstheorie publizieren, worin bewiesen wird, dass der Mensch nicht vom Affen, sondern vom Schaf abstammt. So ist das.
Doch das Leithammel-Leid ist ja nicht nur ein SVP-Lied diese Superpartei ist nur die einzige Gruppe, welche die Wahrheit auf den Punkt gebracht hat. Die Medien zum Beispiel würden das nie zugeben. Sie gehören auch zu den Schafen. Schreit da zum Beispiel der Oberleithammel (in diesem Falle die SDA) «Hallo», drucken alle Zeitungen gross: «Hallo». So geschehen an der Supereskalation in Bern, wo die «bösen» schwarzen Schafe und die «guten» weissen einander auf die Hörner gegeben hatten. Die Nachrichten der brutalsten aller brutalen Ausschreitungen in der Hauptstadt der friedlichen Schweiz gingen rasch um die Welt. Zwar war kaum ein Journalistenschaf an der Demonstration tatsächlich dabei. Es waren Ferien. Die meisten haben erst am Abend vernommen, was in der Altstadt von Bern geschehen ist. Es wurde kaum vernünftig recherchiert, kaum eine neutrale Vor-Ort-Berichterstattung gemacht noch wurde über Tatsachen berichtet. «Hörensagen» oder Schafsgeblööök. Die anschliessende Schlacht um Jenni (ein schwieriger, aber wichtiger Stadtrat) und Hügli (wohl der intelligenteste Polizeikommandant, den Bern je hatte) hat surreale Ausmasse angenommen. Aber weil ein Schaf in New York über die Krawalle in einer namhaften Zeitung schrieb, trieb dieses Scharmützel um eine verhinderte Provokations-Demonstration Schweissperlen auf die Köpfe der Politikerinnen. So kurz vor den Wahlen.
Am Nachmittag versuchte ich an Informationen zu kommen. Vom Berner Hausberg, dem Gurten, konnte ich keine Rauchwolken ausmachen. Man hörte trotz bestem Wind und Wetter, plus freier Luftlinie und Sichtverbindung, nichts. Ich ging am frühen Abend in die Stadt und hatte das Gefühl, es sei ein sehr friedlicher Tag gewesen. Ruhige Polizisten und Passanten schlenderten in ungetrübtem Frieden durch die Gassen. Da und dort ein paar Spuren, die aber kaum eine Pressemeldung wert waren… Doch die Leithammel der SVP liessen eifrig katastrophale Pressetexte schreiben, welche die SDA — sie scheint anderen Leithammeln verp ichtet sofort veröffentlichten. Und das waren dann die Schlagzeilen.
So einfach funktioniert die Welt: Einer blööökt und alle blöööken mit. Der liebe Gott hat wohl im Stillen einen 8. Tag erschaffen und sprach mit tiefer Stimme: «Mensch! Du brauchst einen Leithammel!» Und seither irrt die Menschheit umher, auf der Suche nach «Miss Schweizen» und «Mister Schweizern», nach Gurus, Hirten und Propheten, Stadtpräsidenten, NationalrätInnen, aber vor allem einem: dem Leithammel! In all unseren Planetenjahren haben wir nichts gelernt. Leider.
Es gibt in der Tat viele Schafe auf diesem Planeten. Und dank der SVP und der Schafs-Werbekampagne sind wir aufgewacht und auf ein wirkliches Problem aufmerksam gemacht worden. Dank der SVP. So, aber jetzt genug des Lobes: Mein Lammbraten wartet.
Aus der Serie Von Menschen und Medien
Cartoon: www.fauser.ch
ensuite, November 2007