Von Lilo Spahr - Im März findet die 15. und letzte Ausgabe von Nouvelles statt. Ein Kapitel schweizerischer Frauenfilmgeschichte geht zu Ende, die Erkenntnis aber, dass es gilt, die Sichtweise von Regisseurinnen mehr und mehr in den Kinoalltag einzubringen, bleibt bestehen. Ein Anliegen, das von jeher Konzept der nicht-kommerziellen Kinoszene war, insbesondere auch des Kinos in der Reitschule. Dort findet fast das gesamte diesjährige Nouvelles-Programm unter dem Titel Liebe, Lust und Laster statt.
Liebe, Lust und Laster steht generell auch für fünfzehn Jahre feministische Filmarbeit, die mit Liebe, Lust und Herzblut, ja mit Leidenschaft von vielen Frauen aus der ganzen Schweiz meist ehrenamtlich geleistet wurde. Jeden März während 15 Jahren fanden filminteressierte Frauen, vorwiegend aus der Schweizer Off-Kino-Szene aber auch aus feministischen Gruppen aller Sprachregionen der Schweiz zusammen und veranstalteten themenspezifische Programme mit neuen Filmen, aber auch mit filmhistorisch relevanten Werken von Regisseurinnen. Podiumsdiskussionen, Lesungen, Performances und andere Darbietungen von Künstlerinnen beleuchteten die jeweiligen Nouvelles-Themen von anderen Blickpunkten aus. Nouvelles hat in all den Jahren nicht nur Filme von bereits bekannten Regisseurinnen in die Schweizer Kinos gebracht, viele Trouvaillen von unbekannten Filmemacherinnen, die meist nur an ausländischen Frauenfilmfestivals zu entdecken waren, liefen endlich auch in den schweizerischen (nicht-kommerziellen) Kinosälen. Bei der Filmauswahl legte Nouvelles immer Wert auf inhaltliche und formal innovative und überraschende Werke, sei dies im Spiel‑, Dokumentar- oder Experimentalfilm, welche den spezifisch weiblichen Blickpunkt und Erfahrungshintergrund hervorhoben.
Der Regisseurinnenblick richtet sich in diesem März auf die Sinnlichkeit, die Leidenschaft und die Begierden. Das Progamm startet am 6. März mit dem legendären Filmklassiker D’amore e d’anarchia der italienischen Regisseurin Lina Wertmüller. Es ist das tragikomisches Werk über die Unvereinbarkeit von Menschlichkeit und Unschuld mit den gnadenlosen Mechanismen der Politik. Lina Wertmüllers Film ist grandioses Kino, zärtliche Romanze bitterböse Farce und melodramatische Tragödie. Der Regisseurinnenblick Richtet sich in diesem März auf die Sinnlichkeit, die Leidenschaft und die Begierden. In der zweiten Festival-Woche sind die lasterhaften Nächte angesagt. Auf dem Programm stehen am 13. März Kurzfilme von CH-Regisseurinnen, u.a. von Sandra Künzi, Urslé von Mathilde und Gabriela Schärer, musikalisch umrahmt mit Gans & Gloria, alias Ruth Schwegler und Esther Hasler. Im Frauenraum der Reitschule wird am 14. März die marokkanische Badiaa Lemniai orientalisch tanzen und die deutsche Kabarettistin Kordula Völker freche Seitenhiebe, nicht nur auf lesbisch- schwule Lebensweisen, ironisch präsentieren. Djane Stephanie schliesslich zeichnet für die Nouvelles- Abschiedsdisco. Im Lichtspiel tritt am 16. März der Frauchenchor der Reitschule auf und anschliessend werden aus der Lichtspielsammlung Kurzfilme zum Thema Liebe, Lust und Laster vorgestellt.
Eine Retrospektive und ein Porträt der bedeutenden amerikanischen Avantgarde- Filmemacherin Maya Deren sowie die Filme des Atelierzérodeux über die Expo runden das diesjährige Jubiläumsprogramm ab.
Bild: zVg.
ensuite, März 2003
Im Original unter dem Titel «15 Jahre Nouvelles — Liebe Lust Laster» erschienen