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Once upon a time in Bern

Von Lukas Vogel­sang - Ein beliebtes Stre­it­the­ma: Die Kul­turberichter­stat­tung in den Medi­en. Wir kön­nen uns in Bern nicht bekla­gen, da durch die neue Kul­turstrate­gie mal wieder richtig Stim­mung aufgekom­men ist. Ein trau­ma­tisieren­des Hick­hack­spiel — für die Medi­en ein gefun­denes Schlagzeilen­fressen — für die Leser­schaft ein Alp­traum. Kurt W. Zim­mer­mann, der wohl tre­f­fend­ste Medi­enkri­tik­er der Schweiz (er schreibt lei­der in der «Welt­woche» für den Her­rn Köp­pel), möchte ich aus seinem Refer­at zitieren, welch­es er anlässlich des «Forum Kul­tur und Ökonomie» unter dem Titel «Kul­tur in den Medi­en ein über­schätztes Pro­gramm für Min­der­heit­en» hielt: «Kul­tur und Kul­tur­jour­nal­is­ten sehen sich gemein­sam als Vertreter eines Sys­tems, des Kul­tursys­tems. Sie bilden ein Kul­turkartell. Sie kämpfen dafür, dass der Stel­len­wert des Kul­tursys­tems inner­halb der Gesellschaft möglichst hoch ist. Sie glauben, dass Kul­tur äusserst wichtig ist und noch wichtiger wer­den muss.» Ist das nicht himm­lisch? «Dies führt zu einem skur­rilen Unikum in den Medi­en. Der Kul­turbe­griff ist in der Darstel­lung qua­si sakrosankt. Es gibt keine Auswüchse in der Kul­tur. Zeitun­gen und Fernse­hen bericht­en nie über Auswüchse in der Kul­tur. Es gibt sie nicht, weil es sie nicht geben darf…»

Ich liege flach. Da kämpfe ich seit fünf Jahren missver­standen für diese Gerechtigkeit in der kul­turellen Berichter­stat­tung und erhalte zum Jubiläum diese Zeilen. Wenn ich bei Präsen­ta­tio­nen erk­läre, dass sich gemäss Stu­di­en die Leser­schaft der Feuil­letons bei zwei Prozent aufhält, fliegen die Tomat­en. Wenn ich dann erzäh­le, dass Kul­tur kaum noch existiert und wir es ehrlich­er «Unter­hal­tung­spro­gramm» nen­nen wür­den, muss ich ren­nen. Wie viele Tele­fonate erhalte ich mit der Bitte, über ein The­ma zu schreiben, weil es sooo wichtig ist. Dazu müssen wir gratis arbeit­en, weil nie­mand Geld hat. Aber es ist für die Kul­tur! Über­lebenswichtig! Für wen und wieso?

Aber Zim­mer­mann geht noch weit­er und nen­nt das Ding beim Namen: «Dies macht die Kul­turge­meinde noch mehr zum Filz. Der Filz ist ausseror­dentlich schnell und gut organ­isiert, wenn die gemein­samen Inter­essen von Kul­turschaf­fend­en und Feuil­letonredak­tio­nen vertei­digt wer­den müssen. Der Abwehrkampf richtet sich fast immer gegen geplante Pop­u­lar­isierun­gen der Kul­tur und gegen redak­tionelle Spar­mass­nah­men im Kul­turteil.» WOW! Filz und wie der fusselt. Und doch bleibt es immer eine Min­der­heit, welche sich für «Kul­tur» ein­set­zt. Und was ist denn «Kul­tur» im Jahre 2007 noch?

Das Kul­turgewuschel geht weit­er: «Weil der bei Ihnen inseriert, machen wir kein Inser­at — oder umgekehrt.» «Aber wir machen nur ein Inser­at, wenn sie über uns schreiben.» «Es wäre an der Zeit, dass du mal über uns schreib­st!» «Nein, wir bezahlen keine Pub­lire­porta­gen.» «Wie kom­men wir gratis in Ihr Mag­a­zin?» «Wir haben kein Geld.» Kul­tur­magazine und Feuil­letons wer­den zu Pro­moa­gen­turen degradiert. Es ist für Kul­turver­anstal­ter nicht ein­sichtig, dass wir — und ich darf doch ensuite — kul­tur­magazin als unab­hängig beze­ich­nen — keine Wer­be­heftli und Werbe­seit­en für Events sind. Die Ver­anstal­terIn­nen wollen in erster Lin­ie ein volles Haus — sie wollen, dass wir für sie die Wer­bung machen — gratis. Wenn das voll­bracht ist, dann sind sie glück­lich, uns haben sie dabei wieder vergessen. Und ob das Pub­likum einen Bezug zum kul­turellen Ange­bot machen kann, das wird nicht hin­ter­fragt. Kul­tur ist ein Markt, ein Markt wird meis­tens über Geld definiert. Die Kun­st und die kul­turellen Aspek­te kom­men weit hin­ten. AU! Jet­zt hat mich schon wieder ein faules Ei getrof­fen! Aber es ist doch so: Welche kul­turelle Insti­tu­tion hat eine Ahnung davon, wie sie sich insze­nieren soll, damit sich eine inter­essierte Gemein­schaft mit einem The­ma auseinan­der­set­zen kann? Wenn eine Ahnung da wäre, wür­den die Medi­en darüber schreiben und disku­tieren — eben so, wie es zum Beispiel die Kul­tur­de­bat­te in Bern in den let­zten Monat­en ver­sucht hat.

Lei­der hat diese Debat­te den Filz trotz­dem nicht aufdeck­en wollen. Zu sehr ist die poli­tis­che Brisanz ein unüber­wind­bares Hin­der­nis. Wer gegen die Kul­tur spricht — AU! Schon wieder eine Flasche im Auge — wird zum Kul­tur­banau­sen gestem­pelt (oh, unsere Konkur­renz hat das doch mal in einem «offe­nen Brief» gemacht…). Und wenn wir Kul­turredak­toren nicht im Gle­ich­schritt miteifern, so gibt‘s keine Inser­ate von den Ver­anstal­tern. Die Folge: Kul­turme­di­en trock­nen aus, wer­den wegen Unter­fi­nanzierung eingestellt und die Kul­turszene begin­nt mit dem Wehgeschrei. Es ist wohl eine der grössten Her­aus­forderun­gen in der Medi­en­branche, ein Kul­tur­magazin zu pro­duzieren, welch­es einen eige­nen selb­ständi­gen Weg gehen und eine fusel­freie Kul­tur ein­er Gesellschaft vorstellen darf. Ohne Wirtschaft, die sich wie die Ver­lage an ein­er inter­essierten Leserge­meinde ori­en­tiert, fast ein unmöglich­es Unter­fan­gen. Bern ist dabei ein her­vor­ra­gen­des Beispiel.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, April 2007