• zurück

Pre-«Spectre»

Von San­dro Wied­mer — Die gegen­wär­ti­gen Skan­dale und Krisen rund um inter­na­tionale Aktiv­itäten der Geheim­di­en­ste wer­den dem Filmgeschäft nicht zur Konkur­renz. Der «Agen­ten-Thriller» feiert im Gegen­teil Urständ.

Die Gründe, warum Spi­one ein beliebtes The­ma für die Fil­min­dus­trie abgeben, liegen auf der Hand: Das Spiel um falsche Iden­titäten, um Schein und Wirk­lichkeit, die Kodierung und Entschlüs­selung lebenswichtiger Botschaften, die Manip­u­la­tion der Wahrnehmung sind feste Bestandteile des Medi­ums. Der Kampf von Indi­viduen gegen all­ge­waltige Organ­i­sa­tio­nen und macht­gierige Schurken, futur­is­tis­che Gad­gets und die Bedro­hung durch die Zer­störungskraft mod­ern­er Tech­nolo­gien, oft an der Gren­ze zur Sci­ence Fic­tion, tun das ihre dazu, das Pub­likum anzuziehen. Das Spek­trum reicht von an der Real­ität ori­en­tierten Dra­men über Par­o­di­en und Satiren bis hin zum gängi­gen Action-Kino. Gen­re­bildend war zum Beispiel «Spi­one» (1928), ein Stumm­film von Fritz Lang, den er unmit­tel­bar nach dem mon­u­men­tal­en «Metrop­o­lis» (1927) pro­duzierte. Im amerikanis­chen Exil ent­stand dann der Anti­nazi-Pro­pa­gandafilm «Hang­men Also Die!» (1943), ein Thriller um die Ermor­dung von Rein­hard Hey­drich, für den Bertolt Brecht sein einziges Hol­ly­wood-Drehbuch und Hanns Eisler die Musik schrieb. Bald trat auch Alfred Hitch­cock als junger Regis­seur aus Eng­land auf den Plan, welch­er mit «The Man Who Knew Too Much» (1934 und dem Remake 1956), «The 39 Steps» (1935), «Secret Agent» (1936), «Noto­ri­ous» (1946), «North By North­west» (1959), «Torn Cur­tain» (1966) und «Topaz» (1969) eine ganze Rei­he von stil­bilden­den Fil­men des Gen­res schuf. Ihm wird auch der Begriff «MacGuf­fin» zugeschrieben als ein Ele­ment der Filmerzäh­lung, welch­es die Hand­lung in Bewe­gung bringt und vorantreibt, wobei es sich um ein nicht näher definiertes Objekt wie einen Kof­fer han­deln kann. Mit «Dr. No» (1962) begann die Erfol­gs­geschichte der Ver­fil­mungen von Ian Flem­ings Roma­nen um den MI6 Agen­ten 007 James Bond. Im Umfeld des Erschei­n­ungs­da­tums des neusten Aben­teuers des wohl berühmtesten Geheim­a­gen­ten, des vierten in der Verkör­pe­rung durch Daniel Craig, kommt denn auch gle­ich eine Rei­he von Genre- Fil­men in die Kinos.

Nach­dem er 2009 und 2011 den altehrwürdi­gen Sher­lock Holmes als psy­chopathis­chen, dro­gen­süchti­gen, in asi­atis­chen Kampf­s­portkün­sten aus­ge­bilde­ten Action-Helden neu hat aufer­ste­hen lassen, nimmt sich Guy Ritchie mit «The Man from U.N.C.L.E.» der amerikanis­chen Fernsehserie gle­ichen Namens aus den Jahren 1964- 68 an, welch­er gar Bond-Schöpfer Ian Flem­ing Pate ges­tanden hat. Dabei über­rascht der britis­che Regis­seur mit ein­er makel­losen Insze­nierung der 60ies auf der Höhe des kalten Krieges, als die Welt angesichts des atom­aren Wet­trüstens und der Kuba-Krise kurz vor einem drit­ten Weltkrieg stand. Ein ital­ienis­ch­er Reed­er hat einen deutschen Wis­senschaftler ent­führt, um eine Nuk­lear­rakete zu schaf­fen, welche er an krim­inelle Organ­i­sa­tio­nen ver­hök­ern will. Angesichts der Bedro­hung tun sich CIA, KGB und MI6 zusam­men, mit dem «Unit­ed Net­work Com­mand of Law and Enforce­ment» (U.N.C.L.E.) dem ver­brecherischen Treiben ein Ende zu set­zen. Ein amerikanis­ch­er und ein rus­sis­ch­er Agent, deren Beziehung von Mis­strauen und Arg­wohn geprägt wird, müssen sich zu dem Zweck zusam­men­raufen, um sich mit Hil­fe der Tochter des Wis­senschaftlers in die Kreise des ital­ienis­chen Mag­nat­en und dessen Frau einzuschleusen. War die zu Beginn in Schwarzweiss gedrehte Fernsehserie, eine Reak­tion von MGM auf den Erfolg der ersten James Bond- Filme, von Beginn weg mit komö­di­antis­chen Ele­menten durch­set­zt, kippte sie mit dem Aufkom­men des Farbfernse­hens zunehmend in die Selb­st­par­o­die, was zuse­hends zum Pub­likumss­chwund führte, worauf die Serie nach 105 Episo­den in vier Staffeln 1968 fal­l­en­ge­lassen wurde, als die The­matik in dieser Form, angesichts von Ereignis­sen wie dem Viet­nam-Krieg, obso­let wurde. Ritchie, welch­er mit Lionel Wigram für das Buch ver­ant­wortlich zeich­net, mit dem er schon für die bei­den Sher­lock Holmes-Filme zusam­mengear­beit­et hat, tat gut daran, für den Film eine dem Vor­bild getreue, davon jedoch unab­hängige Vor­lage zu wählen, die sich aber trotz­dem der gängi­gen Klis­chees des Gen­res aus der Zeit des kalten Krieges bedi­ent. Die Far­bge­bung, Diskus­sio­nen über angemessene Klei­dung, ein gerüt­teltes Mass an Action, der unter­schwellige Humor, der vor allem in den (allerd­ings nicht immer akzent­frei geführten) Dialo­gen auflebt, das Ganze getra­gen durch den her­vor­ra­gen­den, der Zeit entsprechen­den Sound­track von Daniel Pem­ber­ton, sind Ele­mente, die uns in die 60ies zu ver­set­zen ver­mö­gen, und den Film zum reinen Kinovergnü­gen, allerd­ings ohne jeden Tief­gang machen.

Als solch­es ist auch «Mis­sion Impos­si­ble – Rogue Nation» angelegt, der mit­tler­weile fün­fte Teil der Fran­chise, welche eben­falls auf ein­er erfol­gre­ichen Fernsehserie gle­ichen Namens basiert, die von 1968–73 aus­ges­trahlt wurde. Darin, wie auch in der 1996 ges­tarteten Serie von Kinofil­men, geht es um ein Team, welch­es auf Aufträge ange­set­zt wird, deren Her­auskom­men dem Stillschweigen unter­liegt, da es sich um äusserst delikate Angele­gen­heit­en han­delt, deren Geheimhal­tung höch­ste Pri­or­ität geniesst. Hier geht es um eine Serie von Ter­ro­ran­schlä­gen in aller Welt, deren Ziel nichts anderes als die Zer­störung der Wel­tord­nung wie wir sie ken­nen ist, an deren Ursprung eine Organ­i­sa­tion mit Namen «The Syn­di­cate» ste­ht. Diese beste­ht aus ein­er Arma­da von tot­geschriebe­nen, ehe­ma­li­gen Geheim­a­gen­ten, offen­sichtlich streng hier­ar­chisch organ­isiert. Worin das Ziel der­sel­ben nach der glob­alen Desta­bil­isierung beste­hen soll, wird allerd­ings sim­pel mit «Change» umschrieben, wom­it, dies mag eine Unter­stel­lung sein, auch schon klar wird, wohin der Dampfer fahren wird. Der «Mac Guf­fin», wonach Ethan Hunt und Ver­bün­dete hier jagen, ist eine Liste der am Kom­plott beteiligten, «gedreht­en» Agen­ten. Anfänglich eine Unter­abteilung der CIA, selb­st zu Abtrün­ni­gen von nationalen Inter­essen deklar­i­ert und zum Abschuss freigegeben, wird das Unternehmen am Ende denn auch wieder unter die Fit­tiche des Geheim­di­en­stes aufgenom­men. Trotz offen­sichtlich­er Rem­i­niszen­zen, etwa dem Anschlag auf den öster­re­ichis­chen Kan­zler während ein­er Auf­führung von Puc­ci­nis «Turan­dot» in der Wiener Oper, wo klar auf Hitch­cocks «Man Who Knew Too Much» ver­wiesen wird, welch­er eine ähn­liche Szene in der Roy­al Albert Hall in Lon­don mit Span­nung auflädt, bleibt die Geschichte flach und unglaub­würdig. Die Kri­tik bejubelt die Ein­führung ein­er starken Frauen­fig­ur, die humoris­tis­che Kom­po­nente, aber der Witz hat hier weniger Gewicht als die Action – und entsch­ieden weniger Charme als in Guy Ritchies Pro­duk­tion.

Auf wahren Begeben­heit­en basiert «Bridge of Spies» von Steven Spiel­berg, der uns wieder in die bewegten Zeit­en des kalten Krieges zurück­ver­set­zt, und kurz nach dem Release des wei­thin mit Span­nung erwarteten James Bond-Aben­teuers «Spec­tre» in die Kinos kom­men wird. Ein Anwalt aus Brook­lyn wird ange­heuert, den Piloten eines abgeschosse­nen U2-Spi­onage­flugzeugs, welch­er in sow­jetis­ch­er Geisel­haft gehal­ten wird, mit­tels Ver­hand­lun­gen freizubekom­men. Wie es sich für Geheim­nis-Krämereien diesen Aus­mass­es gehört, ist über die Pro­duk­tion noch nicht viel zu erfahren, auss­er, dass sich auch Joel und Ethan Cohen am Drehbuch von Matt Char­man beteiligt haben. – Auf den Beginn des näch­sten Jahres ange­sagt ist der schlicht «Snow­den» betitelte neue Film des kri­tis­chen US-Patri­oten Oliv­er Stone, eine Biogra­phie des Com­put­er- Spezial­is­ten, welch­er durch seine Enthül­lun­gen von Aktiv­itäten der NSA zu notorisch­er Berühmtheit gekom­men ist, basierend auf dem Buch «The Snow­den Files» von Luke Hard­ing und der Nov­el­le «Time of the Octo­pus» aus der Fed­er von dessen rus­sis­chem Anwalt Ana­toly Kucher­e­na. Zu hof­fen ist, dass der Film nicht im sel­ben Masse an der Ober­fläche ver­haftet bleibt wie der Streifen, welch­er über den Wik­ileaks- Begrün­der Julian Assange gedreht wurde und bere­its wieder aus den Kinos ver­schwun­den ist.

Christo­pher McQuar­rie: Mis­sion Impos­si­ble – Rogue Nation – seit dem 6. 08. 2015 in den Kinos Guy Ritchie: The Man from U.N.C.L.E. – seit dem 13. 08. 2015 in den Kinos Sam Mendes: Spec­tre – 007 – James Bond – ab dem 5. 11. 2015 in den Kinos Steven Spiel­berg: Bridge of Spies – ab dem 26. 11. 2015 in den Kinos Oliv­er Stone: Snow­den – ab dem 7. 01. 2016 in den Kinos

Artikel online veröffentlicht: 15. Juni 2016