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Rock’ n ’Roll Mission für wen?

By Esther Beck­er

Die als the­atrales Konz­ert angekündigte Arbeit “Stadt­musikan­ten» der Zürcher Gruppe papst&co ist eher als doku­men­tarisch­er The­at­er­abend einzuord­nen, dessen Pro­tag­o­nistIn­nen drei Musik­erIn­nen und eine sin­gende Schaus­pielerin sind, die ausser­dem noch malt. Oder sind es vielmehr ein Schrein­er, ein Velokuri­er, eine Rhyth­mik­lehrerin und eine Kell­ner­in? Damit ver­di­enen sie zumin­d­est ihr Geld. Schon ist man mit­ten­drin, in der Frage nach Beruf und Beru­fung.

Für die Dauer der Vorstel­lung jeden­falls sind sie vier Darsteller, die qua­si sich selb­st spie­len, und dazu ihre Instru­mente. Sie bericht­en von ihren Aus­bil­dun­gen, ihren Bands, ihren Brotjobs. Von geplatzten Träu­men, Umori­en­tierun­gen, dem Auskom­men mit wenig Geld. Dieses Wech­sel­bad von Höhen­flü­gen (Konz­erte in grossen Sta­di­en, Vor­sprechen am Deutschen The­ater) und Abstürzen (Tod eines Band­mit­glieds, Aus­bleiben des Erfol­gs) im Leben der “Rock’ n’ Roll Mis­sion» wird char­mant lakonisch ins Mikro­fon gesprochen, hier und da mit einem Schat­ten­spiel oder ein­er chore­ografis­chen Ein­lage illus­tri­ert. Und, natür­lich, mit Musik. Auch wer­den zu Beginn immer wieder Sätze des titel­geben­den Märchens der Bre­mer Stadt­musikan­ten einge­spielt, welch­es der Pro­duk­tion Pate ges­tanden hat.

Zum Wieder­erken­nen

Zunächst find­et das alles hin­ter ein­er Art Wand aus wabenar­tig zusam­menge­set­zten Büh­nen­bildele­menten statt, die (wie zu erwarten) im Ver­lauf des Abends peu à peu abge­baut wird und den Blick auf die Instru­mente frei­gibt, die (wie zu erwarten) immer mehr zum Ein­satz kom­men, bis alle Darsteller in Band­for­ma­tion zusam­men musizieren. Die Anek­doten der Darstel­lerIn­nen sind mal mehr und mal weniger inter­es­sant. Manche rühren, manche brin­gen zum Lachen, Selb­stironie ist genug vorhan­den. Den Lach­ern und Kom­mentare des Pre­mieren­pub­likums nach zu urteilen schien sich der Grossteil in den Geschicht­en wieder­erken­nen zu kön­nen. Beispiel­sweise die Schwierigkeit­en mit Hier­ar­chien („als poli­tisch denk­ender Men­sch kann ich mich nicht so unterord­nen“), die Erken­nt­nis im Super­markt ein “elitäres Arschloch» zu sein, weil man sich selb­st zu fein ist, hin­ter der Kasse zu sitzen, oder die Utopie von einem Haus in der Natur, mit einem Raum zum Malen und Tanzen.

Ein paar wenige Zuschauer allerd­ings haben die Vorstel­lung frühzeit­ig ver­lassen. Nachvol­lziehbar­erweise. Nicht weil das Stück zu exper­i­mentell, zu pro­voka­tiv, zu laut oder zu lang­weilig gewe­sen wäre, denn das war es ja alles nicht. Bloss dro­hte der Abend in sein­er selb­stre­f­eren­ziellen, lokalen Anek­doten­haftigkeit gefan­gen zu bleiben. Die anfangs geset­zte Par­al­lele zum Märchen der Stadt­musikan­ten löste sich nicht ein. Sie hat­te, auss­er vielle­icht ein wenig dra­matur­gis­ch­er Struk­tur, keine ersichtlichen Kon­se­quen­zen für das Büh­nengeschehen und wurde zum Ende hin nicht mehr weit­er­ver­fol­gt. Wer im Zuschauer­raum nicht selb­st Musik‑, Kul­tur- oder The­ater­schaf­fende tätig ist oder war, wurde nicht ange­sprochen. Wer sich nicht am Wieder­erken­nungsef­fekt erfreuen kon­nte, dem blieb nicht viel übrig um anzuknüpfen.

Am Ende rockt es dann doch noch

Es lohnt sich den­noch, geblieben zu sein: Wenn die Darstel­lerIn­nen als Band richtig losle­gen und in Nina Hagen Manier einen Jan­dl Text ver­ton­ten (“…ein faul­sein ist nicht rühren keinen fin­ger…») wom­it den zwar char­man­ten, aber nicht immer beson­ders dicht­en O‑Ton-arti­gen Text Col­la­gen geballte Lyrik ent­ge­gen­tritt, lässt der Abend das Selb­stre­f­eren­zielle hin­ter sich. Er gewin­nt an Raum, weist und wächst endlich über sich hin­aus. Die Musik, das gemein­same Musik­machen, darf nun für sich selb­st sprechen. Auch sind die Pro­tag­o­nistIn­nen so erfrischend authen­tisch, dass man ihnen trotz der gewis­sen Vorherse­hbarkeit des Abends gerne zuschaut. Die Hart­näck­igkeit, mit der sie ihren Traum ver­fol­gen, die in ihren Geschicht­en immer wieder auf­taucht, kommt ihnen zugute; dieses Immer-wieder-von-vorne-anfan­gen find­et auch auf der Bühne statt: Sie geben nicht auf, spie­len sich frei, und am Ende rockt es dann doch noch.

näch­ste Auf­führun­gen 3.–5. Sep­tem­ber 2014 Helsinkik­lub Zürich

: http://www.kulturkritik.ch/2014/stadtmusikanten/

Artikel online veröffentlicht: 25. August 2014 – aktualisiert am 18. März 2019