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The next Generation

ensuite_150_Juni_TitelVon Lukas Vogel­sang — Das Jahr 2015 startete ful­mi­nant, mit viel Kraft und Hoff­nung. 2014 war zäh, aber der Ausklang fühlte sich gut an. Wir waren gerüstet und gestärkt für 2015.

Doch schon am 7. Jan­u­ar machte uns die Real­ität bewusst, dass auch die Gegenkräfte gestärkt in das neue Jahr starteten. Der Anschlag auf  die Redak­tion von Char­lie Heb­do war ein erstes Sig­nal. Nur eine Woche später don­nerte es ein zweites Mal: Die Euro-Kurs­bindung wurde  been­det und die Schweiz war im freien Fall – zumin­d­est ver­meintlich. Die Schweiz­er-Kon­sumentIn­nen freuten sich über die gün­sti­gen Einkäufe, welche im Aus­land getätigt wer­den kon­nten – die Schweiz­er Wirtschaft trauerte um die sat­ten Gewinne, die jet­zt nicht mehr  möglich waren, und die Aktionäre fühlten sich bet­ro­gen. Am 24. März stürzte der Ger­man­wings-Flug 9525 ab, vom Co-Piloten wil­lentlich, in suizidaler Absicht, in den süd­franzö­sis­chen Alpen zum Zer­schellen gebracht. Dabei riss er 150 Men­schen mit in den Tod. Am 25. April erschüt­terte ein Erd­beben Nepal und Nordin­di­en und löste eine human­itäre Katas­tro­phe aus. Mehr als 8 000 Per­so­n­en ver­loren ihr Leben, 215 000 Häuser wur­den zer­stört, 2.8 Mil­lio­nen Men­schen wur­den über Nacht obdach­los und sind auf Nahrungsmit­tel­hil­fe angewiesen. Über das Griechen­land-Desaster, die Flüchtlingskatas­tro­phen fange ich gar nicht erst an, son­st wer­den die Som­mer­fe­rien am Mit­telmeer in Frage gestellt.

Solche Mel­dun­gen müssen erst ein­mal ver­daut wer­den. Doch dieses ver­flixte Jahr gön­nt uns kaum die Zeit dazu. Alles scheint zu  wack­eln. Kein Job scheint noch sich­er, keine Norm unum­stösslich, Werte zer­fall­en – und im per­sön­lichen Umfeld stellen sich Fra­gen über  den Sinn des Lebens, die ver­drängten Wün­sche, Sicher­heit, Zukun­ft. Die Poli­tik­erIn­nen spie­len derzeit Chasper­lithe­ater und schla­gen sich  gegen­seit­ig mit den Knüp­peln weich – aber Ruhe, Ver­trauen und Sicher­heit strahlen sie nicht aus. Der Druck im All­t­ag ist gewaltig – und das  Kli­ma trägt auch seinen Teil dazu bei.

Aber jede Gen­er­a­tion ist von Neuem über­rascht, dass die Dinge sich nicht so entwick­eln, wie wir uns das vorstellen. War der Weg zu ein­fach? Der Men­sch, das Mass aller Dinge – oder war dem doch nicht so? Wir sind immer nur ein Teil von einem Sys­tem. Der Früh­ling kommt, der Som­mer auch – die Natur blüht schon fast vul­gär auf, in Anbe­tra­cht der Qualen, welche unsere moralis­chen Krisen aus­lösen. Insofern  erstaunt es nicht, dass junge, antikap­i­tal­is­tis­che Nach­wuch­srev­o­lu­tionäre nicht mehr genau wis­sen, wer eigentlich noch Feind­bild ist, und mit iPhone und Marken­jack­en die Fen­ster­scheiben von Elek­tron­ik-Märk­ten ein­schla­gen – mit Röhren-Fernse­hern. Gel­ernt haben sie es von den älteren Gen­er­a­tio­nen, welche sich und ihre Fre­unde bel­o­gen, bestohlen und bet­ro­gen haben und sich dabei bere­ichert. Jed­er für sich und ich für mich! Diesen Spruch fand ich mal lustig. Inzwis­chen macht er mir Angst.

Ich ver­mute, es ste­ht ein grösser­er Gen­er­a­tio­nen­wech­sel an. Ein Ablö­sung­sprozess, der nicht ganz ein­fach wird und einige Grund­festen erschüt­tern wird. Nicht nur, dass die alten Vor­bilder verblassen oder uns die Urväter langsam ver­lassen, auch viele Insti­tu­tio­nen, die ihren Ursprung in ein­er Notwendigkeit hat­ten, wer­den dem­nächst ein­er näch­sten Gen­er­a­tion übergeben, welche erst eine neue Notwendigkeit für deren Tun find­en muss.

In diesem  Punkt, liebe LeserIn­nen, kann ich sie aber beruhi­gen: ensuite hat zwar mit dieser Num­mer 150 Aus­gaben pro­duziert, aber es wird jet­zt trotz­dem keinen Gen­er­a­tio­nen­wech­sel geben. Aus mein­er Sicht steckt ensuite noch in der Pubertät, und es wäre denkbar schlecht, die elter­liche Ver­ant­wor­tung abzugeben. Allerd­ings ist ensuite seit dem Anfang im Jahr 2003 im Dauer­wan­del, und so wer­den wir die anste­hende Som­mer­pause entsprechend dazu nutzen, einige Dinge weit­erzuen­twick­eln. Denn: Es sind harte Zeit­en und wir müssen an diesen wach­sen und han­deln ler­nen, nicht den Kopf einziehen. Ich will die Zukun­ft – und das ist eine Ansage.

Artikel online veröffentlicht: 10. Juni 2015 – aktualisiert am 17. März 2019