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Trim and Kump

Von Patrik Etschmay­er - Als Don­ald Trump aus dem Nichts her­aus seine Bere­itschaft erk­lärte, sich mit Kim Jong-un, seines Zeichens nord­ko­re­anis­ch­er Dik­ta­tor und Maskottchen der staatlichen Fast-Food-Kette Kim-Boy, zu tre­f­fen, wurde dies mit Unglauben aufgenom­men.

Dabei gehen die Ein­schätzun­gen, was dieses Tre­f­fen brin­gen kann, weit auseinan­der. Von ein­er sen­sa­tionellen Chance für den Welt­frieden reden die einen, andere hinge­gen sind pes­simistis­ch­er und sehen lediglich eine dop­pelte Ego-Show, die da abge­hen und zu gar nichts führen würde.

Der Autor hinge­gen erwartet nichts als Hor­rorszenar­ien.

a) Der Twitter-Meltdown

Zwei Stun­den vor dem Tre­f­fen set­zt Trump einen Tweet ab.

«Werde dem kleinen Raketen­mann zeigen, wo der Ham­mer hängt. Wir waren hart, und jet­zt ist er eingeknickt wie Low Ener­gy Jeb! #Amer­i­caFirst #Lit­tle­Rock­et­Man»

Fünf Minuten später Son­der­sendung im nord­ko­re­anis­chen Staats-TV. Die Nachricht­en­sprecherin verkün­det lau­thals, dass eines der grössten Prob­leme der USA «senile alte Män­ner sind, die man Smart­phones ohne Beauf­sich­ti­gung durch ihre Betreuerin­nen benutzen lässt».

Trump, zehn Minuten später, nach­dem er über die Nachricht­ensendung informiert wor­den ist, tweet­et wieder.

«Für wen lässt der kleine Raketen­mann eigentlich seine Nachricht­en ausstrahlen? Sich­er nicht für sein Volk, das nicht mal weiss, was ein nor­males Tele­fon ist! #Lit­tle­Rock­et­Man #StoneAge, #NoPhonesinNK»

Fün­fzehn Minuten später wieder eine Son­der­sendung auf NKTV: «Alte, verblödete Hunde erschiesst man. Alte, verblödete Präsi­den­ten lässt man durch die Welt reisen und ihre Demenz in sozialen Medi­en ver­bre­it­en. #Demen­tia #Euthana­sia #Make­Donald­DrumpfA­gain #Senile­Old­Don­ald» – wobei die Hash­tags vorge­le­sen und unten im Bild­schirm einge­blendet wer­den.

Es ist noch eine Stunde bis zum Meet­ing, als Don­ald Trumps Twit­ter-Account wieder ein Leben­sze­ichen von sich gibt.

«Der pum­melige Raketen­junge sollte sich nicht zu sehr auf­blähen, son­st kön­nte er noch platzen.»

Eine Son­der­nachricht­ensendung bringt eine Samm­lung der unvorteil­haftesten Bilder Trumps, unter­legt mit den schrillen Prokla­ma­tio­nen der Nachricht­en­brül­lerin (denn «sprechen» kann man dem nicht mehr sagen): «Der Dotard Trump ist das per­fek­te Beispiel für die Dekadenz und die Degen­er­a­tion, für welche die ver­sagende Führungs­macht des West­ens ste­ht, und präsen­tiert sich mit seinem Schwachsinn immer wieder als Fall für ein Heim für alternde Krim­inelle und Per­ver­slinge. #Lar­dAss, #Dotard, #SenileTrump»

Keine fünf Minuten später der Antwort-Tweet: «Wenn der kleine Raketen­mann nicht bald ein­sieht, wo sein Platz ist – näm­lich unter dem Tisch bei den Hun­den –, wird er Prügel bekom­men.»

Als Näch­stes wird in den Nachricht­en des nord­ko­re­anis­chen TVverkün­det, dass die Ruhm­re­iche Armee des Volkes ihre Raketen gegen die Feinde der Nation abge­feuert habe und Tod und Verder­ben über Ameri­ka here­in­brechen werde.

Der let­zte Tweet von Trump lautet: «Auch wenn es der kleine Raketen­mann nicht glauben mag: Ich habe meinen grossen roten Knopf dabei!»

b) «Grab them by the button»

Das Tre­f­fen, das auf neu­tralem Boden in Stock­holm stat­tfind­et, wurde ges­pan­nt erwartet, und nun ist es endlich so weit. Um allen Even­tu­al­itäten vorzubeu­gen, ist der Twit­ter-Account von Don­ald Trump für zwei Stun­den still­gelegt wor­den. Ein weis­er Entschluss, wie man aus dem vorher geschilderten Ablauf unschw­er erken­nen kann. Die bei­den Del­e­ga­tio­nen kom­men in Kon­vois von den gegenüber­liegen­den Seit­en here­in und betreten den Sitzungssaal durch getren­nte Eingänge.

Schliesslich sitzen die Del­e­ga­tio­nen an einan­der ent­ge­gen ste­hen­den Tis­chen. Es fehlen nur noch Don­ald Trump und Kim Jong-un.

Nun betritt Trump den Saal. Schwiegersohn Jared Kush­n­er schiebt hin­ter ihm einen mit einem Tuch abgedeck­ten Rolltisch zum Tagungstisch. Die prak­tisch gle­iche Szene (ein­fach ohne Kush­n­er, dafür mit dem Gen­er­al­stab­schef der nord­ko­re­anis­chen Armee) find­et Minuten später statt, als Kim Jong-un den Saal betritt. Seine Assis­ten­ten ziehen einen Hub­wa­gen mit ein­er durch eine Plane abgedeck­ten Palette drauf in den Saal, unter dem sich eine recht grosse Run­dung abze­ich­net. Trump bemerkt das Ding nicht und begin­nt zu sprechen, kaum hat sich Kim geset­zt,

«Es ist immer gut, wenn Ver­hand­lungspart­ner wis­sen, woran sie sind. Und um jeden Zweifel auszuräu­men, habe ich unseren Atom­knopf mit­ge­bracht. Und jed­er wird sehen, dass unser Knopf gröss­er, glänzen­der und bess­er ist als alle anderen Atom­knöpfe! Kushi! Dein Auftritt!»

Kush­n­er set­zt sich sofort in Bewe­gung, schiebt den Roll­wa­gen zwis­chen die bei­den Tis­che und stellt diesen neben Trump hin. Dieser zieht das Tuch weg und enthüllt einen etwas zwanzig Zen­time­ter bre­it­en, hal­bkugelför­mi­gen, sehr schön glänzen­den roten Knopf auf einem ver­gold­e­ten Sock­el. «Witziger­weise wird ein von der Immo­bilien­fir­ma meines Sohnes gebautes neues Einkauf­szen­trum genau so ausse­hen!», lacht ein sichtlich begeis­tert­er Trump.

Kim Jong-un sieht nicht sehr beein­druckt aus. Er lächelt, tuschelt mit sein­er Schwest­er, die zu sein­er Linken, und dem Gen­er­al, der rechts von ihm Platz genom­men hat. Er macht nur einen Wink und begin­nt dann zur Verblüf­fung der Anwe­senden auf Englisch zu sprechen.

«Natür­lich stim­men wir mit dem Präsi­den­ten der USA übere­in, dass Ver­hand­lun­gen nur frucht­en kön­nen, wenn sie von einem klaren Stand­punkt aus begonnen wer­den. Deshalb haben auch wir den Knopf mit­be­bracht, mit dem das nord­ko­re­anis­che Nuk­lear­arse­nal abge­feuert wird.»

Der Gen­er­al schiebt nun den Hub­wa­gen zwis­chen die Tis­che und stellt die Palette direkt vor Trump ab, den US-Knopf zur Seite schiebend. Dann wird der Knopf enthüllt: Er ist riesig, misst fast fün­fzig Zen­time­ter im Durchmess­er, ist in Rubin­rot metal­lic lack­iert und, der Gran­it­sock­el erin­nert an einen stal­in­is­tis­chen Regierungspalast.

«Unser Knopf sym­bol­isiert per­fekt die Leis­tun­gen der nord­ko­re­anis­chen Volk­sarmee für die Vertei­di­gung unseres Vater­lan­des gegen den Impe­ri­al­is­mus! Ausser­dem wird das neuen Vertei­di­gungsmin­is­teri­um so ausse­hen!»

Trumps Knopf sieht im Ver­gle­ich jäm­mer­lich aus, und der US-Präsi­dent ist sicht­bar irri­tiert, wird immer röter im Gesicht, bis er auf­ste­ht, sich nach vorn über den Tisch beugt und, während er mit der Faust auf den nord­ko­re­anis­chen Knopf schlägt, ruft: «Das ist nichts als eine alberne Attrappe!»

Allerd­ings klickt es vernehm­lich, als der Schlag den Knopf nach unten drückt und auf dem Sock­el leuchtet ein Count­down auf, von 10 auf 0 hin­unter zäh­lend.

Kim schaut Trump entset­zt an. «Du Idiot! Das ist wirk­lich unser Atom­knopf, und du hast eben zwanzig Raketen auf die USA abgeschossen!»

c) Brüder im Geiste

Das Tre­f­fen wurde mit Span­nung erwartet und im Vor­feld von ein­er Rhetorik begleit­et, die auf Kon­fronta­tion und gegen­seit­iges Mis­strauen schliessen liess. Doch schon beim ersten Zusam­men­tr­e­f­fen von Trump und Kim passiert das Unglaubliche: Die bei­den ver­tra­gen sich nicht nur, sie lieben sich ger­adezu.

Bei der Pressekon­ferenz im Anschluss an das erste, mehrfach ver­längerte Tre­f­fen treten die bei­den Staat­sober­häupter, sich gegen­seit­ig die Arme um die Schul­tern leg­end, lachend vor die Kam­era.

«Jong-un ist ein toller Kerl, und wir haben schon vere­in­bart, dass unser­er Staat­en in Zukun­ft wesentlich enger zusam­me­nar­beit­en wer­den! Ausser­dem wer­den wir Nord­ko­rea vor den Chi­ne­sen schützen, und die US-Armee wird ihre Trup­pen aus Süd­ko­rea abziehen und in Nord­ko­rea sta­tion­ieren!»

«Don­ald ist der erste Poli­tik­er, der Nord­ko­rea wirk­lich ver­ste­ht! Auch die Wiedervere­ini­gung mit dem Süden unter unser­er Führung ist nur noch eine Frage der Zeit!»

«Was mich wirk­lich beein­druckt hat, ist wie Jong-un undiszi­plin­ierte Regierungsmit­glieder hand­habt … ‹You’re fired!› hat da eine ganz neue Bedeu­tung.»

Bei­de lachen nach dieser Bemerkung laut auf, prusten ger­adezu.

«Hey, Steve Ban­non, sei ein­fach froh, das du schon draussen bist!», japst Trump, bevor er wieder in lautes Lachen aus­bricht. Dann, sich immer noch umar­mend, ver­lassen bei­de wieder das Podi­um. Eine Stunde später marschiert Chi­na in Nord­ko­rea ein und startet einen Angriff auf die USA …

Also … bitte, bitte ver­hin­dert das Tre­f­fen. OK?