Von Lukas Vogelsang - Für ein soziales System ist es wichtig, dass die «Artenvielfalt» erhalten bleibt. Der Know-how-Verlust, den wir mit durchsubventionierten Nestern bauen, frisst uns auf. Unter dem Vorwand: «Es ist wichtig und nötig» werden Projekte mit politischen Einflüssen aufgebauscht, die mit einfacheren Mitteln, mehr Herzblut und Einsatz zu ganz anderen Dimensionen wachsen könnten. Und wie überall wird da, wo das Geld vorhanden ist, die Hand etwas grösser, welche genährt werden muss, und es wird angenehm.
Wir müssen wieder Scheitern lernen – Risiko ist kein Erfolgsmodell, sondern kann zum Absturz führen. Nicht alle können siegen. Man kann allerdings lernen, den erhöhten Risikoanteilen entgegenzuwirken. Ich für meinen Teil habe etwas Erfahrungen sammeln können mit unserem Verlag: Scheitern will ich nicht kampflos hinnehmen und ich habe gelernt, entsprechende Massnahmen und Entscheidungen zu treffen. Wichtig sind mir dabei Partner und Freunde, die mich unterstützen helfen. Und um genauer zu sein: Ohne diese Mithilfe wäre ich auch gescheitert.
Wir stecken in einer schwierigen Zeit, ich höre aus meinem Umfeld, dass manche sich elementare Fragen zur Lebenssituation stellen. In Deutschalnd gibt es sogar eien nationale Umfrage dazu. Man möchte Veränderung, man will weiterkommen, man möchte Ziele erreichen, doch es scheint alles blockiert. Firmen klagen, dass sich das Verhalten von Konsumenten verändert hat und die bisherigen Geschäftsmodelle nicht mehr gleich funktionieren. Die gewohnten Normen verändern sich. Und sofort wird gefordert, dass die öffentliche Hand das Risiko übernehmen soll. Wie oft wird dadurch der «natürliche Wettbewerb» noch zusätzlich durch ungleiche Voraussetzungen entstellt, so dass bereits Geschwächte aufgeben müssen? Gleich lange Spiesse – die sind nicht gegeben, wenn sich die einen profilieren können, weil sie sich unterordnen und auf Befehl arbeiten, und andere ausgeschlossen werden, weil sie innovativ sind, forschen und das Risiko zu scheitern eingehen. Finanziert und gesichert zu scheitern ist nicht das Gleiche. Und das wird uns oft vorgegaukelt.
In Griechenland haben sich die Banken gerettet und die Schulden dem Staat übergeben. Super. So ist der Staat plötzlich in der Risikosituation – ein sehr ungewohntes Bild. Und ich meine nicht, dass eben der Staat das Risiko tragen sollte. Das wäre auch nicht korrekt. Eben: Wir sollten die Last nicht dem Staat übergeben, sondern wieder mehr Selbstverantwortung übernehmen lernen.
Dieses Thema beschäftigt mich, weil in der Kulturbranche das Gefälle unheimlich gross geworden ist. Da werden Kinosäle subventioniert, andere gehen Pleite. Da kriegt jemand Geld für eine Produktion, die zweimal gezeigt wird, und eine andere Gruppe erhält nichts, hätte aber 10 Engagements. Da gibt es geförderte Institutionen mit wenigen BesucherInnen und private Unternehmen, die aufgeben müssen, weil sie die Baunormen nicht erfüllen können, die wegen den vielen BesucherInnen zum Problem werden. Es ist die Willkür, die Mut macht oder den Mut nimmt. Mit einem Kulturbewusstsein hat das wenig zu tun. Wir täten gut daran, wieder Inhalte in den Mittelpunkt zu bringen und darüber zu reden.
In eigener Sache: Peter J. Betts, der ehemalige Kultursekretär der Stadt Bern, schreibt in dieser Ausgabe seinen 100. Beitrag. Das ist nicht nur eine enorme Leistung, sondern es erfüllt mich persönlich mit Stolz. Dieses Engagement ist nicht selbstverständlich, und ich habe grossen Respekt davor. Damit ist Peter J. Betts nicht alleine – viele AutorInnen sind dem ensuite seit vielen Jahren treu – ebenso wie viele AbonnentInnen. Nächsten Monat produzieren wir die 150. Ausgabe. Auch dies ist eine Zahl, die mich beeindruckt – jedes Magazin ist ein Zeitdokument, ein Stück Geschichte. Was ensuite diesbezüglich auszeichnet: Was wir produzieren werden Sie, liebe LeserInnen, an keinem anderen Ort finden. ensuite ist garantiert das Gegenteil vom Mainstream, mit dem Sie täglich bombardiert werden. ensuite ist innovativ, forschend und sucht neue Wege, um Kultur in Ihren Alltag und in einen öffentlichen Dialog zu bringen. Keine Depechenagentur füttert uns, keine VeranstalterInnen sagen, was wir zu tun haben, und wir sind komplett unabhängig. Wir suchen alle Themen selber, schreiben unsere Geschichten und Recherchen, unsere Entdeckungen und Tipps für Sie auf. Und dies bereits seit 13 Jahren – was uns zum grössten und mittlerweile nationalen Kulturmagazin aufgebaut hat. Es ist an mir, allen MitarbeiterInnen meinen grossen Dank auszusprechen, und auch all den LeserInnen, die uns mit Ihrem Abonnement direkt unterstützen. Ebenso gehört mein Dank unseren (Werbe-) PartnerInnen, besonders der Druckerei Ast & Fischer in Wabern, all den KulturveranstalterInnen, GaleristInnen und Museen. Aus einer kleinen Idee ist etwas Grossartiges gewachsen.
Danke Peter J. Betts für Deinen Input, für den 100sten Beitrag (und viele weitere). Du hast mich schon vor vielen Jahren kulturell inspiriert – und tust es auch heute noch.