Von Klaus Bonanomi - Was für eine dumme Frage. Natürlich kennen Sie die Stars aus dem Fernsehen, Kurt Aeschbacher und Eva Wannenmacher, Patrick Rohr und Susanne Kunz, natürlich kennen Sie Bernard Thurnheer und Katja Stauber. Sie alle kommen zu Ihnen nach Hause in die gute Stube, sie strahlen Ihnen aus den Programmzeitschriften und aus der Schweizer Illustrierten entgegen, sie kommen im Blick und auch in der übrigen Presse, wenn sie wieder mal den Partner wechseln oder die Sendung.
Kennen Sie auch einen Radio-Star? Vielleicht kommt Ihnen nach längerem Überlegen Casper Selg in den Sinn, die Stimme beim Echo der Zeit. Oder Christoph “Schwegler am Regler”. Aber — wirkliche Radio-Stars gibt es nicht hierzulande. Radio hat weniger Glamour. Radio ist halt nicht so sexy wie Fernsehen. Radio ist wie das fliessende Wasser — es wird wie selbstverständlich konsumiert, doch viele Gedanken braucht man sich darüber offenbar nicht zu machen.
Ich finde das schade. Ich finde es schade, dass das Radio in der veröffentlichten Meinung so stiefmütterlich behandelt wird. Musterbeispiel dafür ist leider die Berner Presse: Der Platz für Radiohinweise nimmt ab, Radiokritik oder Hintergrundberichte über Radiothemen gibt’s kaum noch, dafür veröffentlicht der Bund täglich den immergleichen Programmraster des zum Bund-Verlag gehörenden Senders BE‑1, den man sich mittlerweile angesichts der organisierten Inhaltslosigkeit des ehemaligen Förderbands geradesogut schenken könnte: Wer will denn schon wissen, dass ab 6.00 “die lustigste Morgenshow von Bern”, um 6.15 das Scherztelefon, später die Hörergrüsse und tagsüber dann “der beste moderierte BE-1-Tages-Mix der 80er und 90er und die Mega-Hits von heute” zu hören sind? Und auch bei der BZ ist die früher tägliche Radiound TV-Seite zu einer Zweidrittel-Seite zusammengeschrumpft, auf der neben dem TV-Programm nur noch gerade zwei kleine, nichtssagende Programmraster Platz haben – einerseits der des BZ-Lokalradios ExtraBern, daneben der von DRS‑2, der aus Platzgründen erst um 11 Uhr beginnt!
Neun von zehn Menschen hören täglich Radio, doch die Presse vernachlässigt dieses Zielpublikum sträflich. Denn Radio kann viel mehr sein als das allgegenwärtige Hintergrundgedudel: Es gibt tagtäglich spannende, informative, interessante, manchmal ärgerliche, häufig anregende Sendungen – doch wer nicht weiss, wo diese Trouvaillen zu suchen sind, wird sie leider auch nicht zu Gehör bekommen. Zum Glück gibt es seit einigen Jahren das Radio-Magazin; dieses in Zürich erscheinende Wochenheft bietet einen guten Überblick über viele Programme, aber auch Zusatzinfos, Tipps, Hinweise und auch jede Woche ein ganzseitiges Porträt einer Radio- Persönlichkeit. Kürzlich wurde zum Beispiel der RaBe-Info-Mitarbeiter Jürg Stehli porträtiert: Ein Mensch wie viele andere RadiomacherInnen – kein Promi, kein Star, sondern ein engagierter, ernsthafter Zeitgenosse, der sich mit Lust und Leidenschaft seiner Arbeit widmet.
Aus der Serie Von Menschen und Medien
ensuite, März 2003