Von Klaus Bonanomi – 24 Stunden hat der Tag. 2 Stunden,19 Minuten und 12 Sekunden davon verbringen wir Durchschnitts- DeutschschweizerInnen vor dem Fernseher, wie aus der Statistik für 2001 hervorgeht. Babies und blinde Menschen nicht mitgezählt, läge der Durchschnittswert wohl eher bei drei Stunden TV-Konsum pro Kopf und Tag. 8760 Stunden hat das Jahr; 19‘133 Stunden Programmleistung erbrachte allein das Schweizer Fernsehen DRS (inkl. SF-Info und 3‑sat) im Jahr 2001; hinzu kamen noch 235‘000 Werbespots, die SF DRS ausstrahlte. Rund um die Uhr rieselt gut schweizerisches Fernsehschaffen aus zweieinhalb Kanälen, und wenn Charles Clerc zur Tagesschau ruft oder Johanna Surer das Wetter erklärt, versammelt sich mehr als eine Million Menschen vor dem elektronischen Lagerfeuer.
Dabei hatte alles so klein begonnen, damals vor 50 Jahren mit dem Fernsehversuchsbetrieb im Zürcher Studio Bellerive Anno 1953. Ein Fernsehgerät kostete mehrere Monatslöhne, nur gerade 920 zahlungskräftige Fernseh-Konzessionäre konnten sich dazumal diesen Luxus leisten. Heute sind in der Schweiz über 2,5 Millionen Fernseh-Konzessionen registriert, fernsehfreie Haushalte gibt’s kaum noch.
“Nachdem er vom PC etwas an den Rand gedrängt wurde, will Sony den Fernseher wieder in den Mittelpunkt der Familie rücken”, war kürzlich in einem Branchendienst zu lesen. “Eine nahtlose Verknüpfung von Audio, Video, PC und mobilen Endgeräten mit dem Fernseher als Zentrum”, das sei die neue Multimedia-Strategie des Media-Multis.
Ich selber setze auf eine Minusmediastrategie. Ich habe meine Glotze an Neujahr in die Ecke gestellt und sie seither noch nicht wieder hervorgeholt. Das Jubiläum 50 Jahre Schweizer Fernsehen findet ohne mich statt. Und siehe da: Drei fernsehfreie Abende geben Zeit für den wunderbaren Roman “Von der Liebe und anderen Dämonen” von Gabriel Garcia Marquez. Statt freitagabends Notruf 144, Aktenzeichen XY…ungelöst, 10 vor 10, Arena und Ein Fall für zwei reinzuziehen, rausgegangen in die Dampfzentrale und Live Jazz gehört, gesehen und gespürt, das gepflegte Piano-Trio von Colin Vallon und die phänomenale Schlagwerkerin Béatrice Graf mit ihren Kollegen Vinz Vonlanthen und Michel Wintsch. 2 Stunden 19 Minuten und 12 Sekunden reichen für eine gute Flasche Wein und ein gutes Gespräch zu zweit.
Und für die Ski-WM und die kommenden Champions-League-Spiele gibt’s ja die Grossleinwand in der Halbzeit-Bar.
ensuite, Februar 2003