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Wie lange dauert(e) der Kalte Krieg

hartmannVon François Lilien­feld - Zwis­chen dem Fall der Berlin­er Mauer bis zur erweit­erten EU spiel­ten sich sehr viele Dinge ab, die wohl die Kom­men­ta­toren, und später die His­torik­er, noch lange bewe­gen wer­den: eine ver­rück­te Zeit mit vie­len Ver­sprechen, von denen bish­er nur wenige gehal­ten wur­den. Um diese Über­gangszeit geht es in Lukas Hart­manns Roman «Auf bei­den Seit­en» (Dio­genes Ver­lag, Zürich, 2015).
Im Mit­telpunkt ste­ht der Jour­nal­ist Mario. In sein­er Gym­nasialzeit war er sehr beein­druckt von seinem stren­gen Deutschlehrer Armand Gru­ber. Dieser war, gelinde gesagt, kon­ser­v­a­tiv, um nicht zu sagen reak­tionär. Dass Mario später zum linken Jour­nal­is­ten wurde und sich aus­gerech­net in Gru­bers Tochter Bet­ti­na ver­liebte, bürgt für brisante Sit­u­a­tio­nen. Bet­ti­nas Fre­undin Kari­na ist die Tochter eines Haus­meis­ters, der beim Schweiz­er Geheim­di­enst arbeit­et. So haben wir es also mit Per­so­n­en zu tun, die auf die eine oder andere Art in poli­tis­che Wirren ver­strickt wer­den, oder zumin­d­est damit in Kon­takt kom­men mussten.

Und da ist noch eine weit­ere Haupt»person»: die Geheim­loge P‑26, die – außer der Tat­sache, dass sie im Unter­grund tätig war — Einiges mit der Mc Carthy-Bewe­gung im Ameri­ka der Nachkriegs­jahre ver­band: Alles muss unter­nom­men wer­den, um die Demokratie vor dem Kom­mu­nis­mus zu schützen, auch wenn die Meth­o­d­en nicht immer demokratisch sind…

Lukas Hart­mann zeich­net ein faszinieren­des und oft erschreck­endes Bild dieser Zeit, in der die Welt sich mit unge­heurem Tem­po verän­dert hat. Dass er seine Per­so­n­en kapitel­weise alternierend erzählen lässt, gibt dem Leser einen lebendi­gen Ein­blick in die ver­schiede­nen Auf­fas­sun­gen der Pro­tag­o­nis­ten, auch wenn diese Meth­ode ab und zu die Ver­ständlichkeit erschw­ert.
Der Roman ist ein getreues Abbild ein­er Epoche, in anre­gen­der Sprache ver­fasst. Wie gut der Autor schreibt, sei an einem kurzen Beispiel gezeigt:

«Wir stiegen durch den Wald hin­unter in meine Ver­gan­gen­heit» (S.260). Der gestrenge Deutschlehrer Gru­ber hätte an so einem Satz sich­er seine helle Freude gehabt.

Artikel online veröffentlicht: 19. Mai 2016 – aktualisiert am 18. März 2019