Von Benedikt Sartorius - „Ich kann nur spielen, was ich bin.“ Dies ist eine der zentralen Aussagen des seit 1986 in Bern ansässigen Perkussionisten Omri Hason. Entgegen dieser Einstellung entwickelt sich Weltmusik immer mehr zu einem verwässerten Begriff. Zurückzuführen ist dies auf Produktionen, die nur an der Oberfläche von fremden Kulturen kratzen und damit Fusionen ohne Fundament bilden. Zuhauf entstehen so reichlich verklärte Bilder der jeweils zitierten Kultur und stellen statt Vermittlung doch nur weitere Klischees her.
Diese Weltmusik ist nicht die von Omri Hason. Er baut stabile Brücken zwischen den Kulturen, zwischen Tradition und Moderne, tüftelt mit neuen Klangfarben und Instrumenten und bleibt damit ständig in Bewegung.
Hasons Herkunft bildet die Grundlage seiner Musik: 1962 in Israel geboren, wuchs er im Schmelzpunkt zwischen orientalischem und mediterranem Raum auf. Hier erhält Hason seine frühen musikalischen Impulse und spielte schon als kleines Kind die Darabuka, die in seiner Familie jemenitischer Herkunft das einzige Musikinstrument war, das auf Festen und Hochzeiten gespielt wurde. Später befasste er sich mit der klassischen arabischen Spieltechnik dieses „Power Instrumentes“, wie Hason die Darabuka charakterisiert. Denn erst die tiefe Auseinandersetzung von Traditionen führt zu einem Erkennen der jeweiligen Kultur. Dieses Erkennen verschmilzt mit Hasons persönlichem Hintergrund und seinen Einflüssen zu neuen, eigenen Schöpfungen. Der Brückenschlag zwischen Tradition und Moderne, in diesem Fall zwischen Volksmusik und Jazz Elementen, führt so zu einer freien Bewegung zwischen Raum und Zeit.
Hasons Solo CD „Cycles beweist dies: In elf Zeitzyklen reist er durch Orte seiner musikalischen Erfahrungen und taucht ein in vergangene und verloren geglaubte Bilder seiner Erinnerungen, wie Hason in den Liner Notes schreibt. Arrangiert sind diese Kreisläufe für jene Instrumente, auf die sich der Israeli seit geraumer Zeit beschränkt. Nebst dem Darabuka sind dies der Zarb und arabische Rahmentrommeln in verschiedenen Grössen (Duff und Tar).
Der volle Klang und der breite Resonanzbogen der Rahmentrommel ermöglichen je nach Spielweise sowohl satte Bässe wie auch hohe singende Töne. Diese Basis wird auf „Cycles“ durch die Kraft des Darabuka oder der Zarb akzentuiert. An dieser persischen Trommel fasziniert Hason ihr Klangreichtum, der auf der Vielzahl an möglichen Schlagarten basiert. Grundkentnisse der Zarb studierte Hason bei einem persischen Trommelmeister. Seitdem übersetzt er seine eigene Technik und auch die Rhythmussprache der indischen Tabla auf dieses reiche Instrument. In einem Zyklus kommt auch ein Gefäss aus klingendem Blech zum Einsatz. Es handelt sich dabei um das Hang, das von den Berner Instrumentenbauer Panart entwickelt wurde und aus zwei Halbkugeln besteht: Die Eine ist mit mehreren Tönen eingestimmt, die einen Steeldrum ähnlichen Klang besitzen. Das scheppernde metallene Element weicht jedoch wohlweislich einer dumpferen, geheimnisvollen Farbe. Die zweite Halbkugel ist roh gehalten und ist stark an die Ghatam, der traditionellen südindischen Vasentrommel, angelehnt. Hason malt mit diesem jungen Instrument eine Melodie, welche sehr gut zu seinen natürlichen, äusserst stimmungsvollen und stimmigen Rhythmusfiguren passt.
In Omri Hasons Trio trifft dieses orientalische Instrumentarium auf die südindische Perkussion des Inders Ramesh Shotham und die Violine des Ungaren Zoltàn Lantos. Beide sind wie Hason Weltmusiker im besten Sinne. Ramesh Shotham, in Madras geboren, studierte klassische südindische Perkussionsinstrumente wie die Tavil, eine Tempelmusiktrommel, das doppelseitige Mridangam oder die Ghatam. Mittlerweile in Köln lebend, spielte er mit Musikern wie Steve Coleman oder Carla Bley.
Zoltàn Lantos ging den entgegengesetzten Weg als Shotham: Er zog nach einem Klassikstudium in Budapest für neun Jahre nach Indien, um dort das indische Geigenspiel zu studieren. Nebst der klassischen Violine setzt Lantos eine speziell für ihn angefertigte indische Resonanzgeige und elektronische Effektgeräte ein. Sein Spiel verbindet östliche Folklore, indische Klassik und improvisatorische Elemente. Im Trio treten diese Drei in einen spannungsvollen Dialog: Sie agieren und reagieren, es entstehen Reibungspunkte, die eine Dynamik entwickeln, welche blosses Geplätscher ausschliessen. Diese wohldosierte Mischung aus fremden und eigenen, orientalischen, indischen und zeitgenössischen Zutaten entwickelt sich zu einem Klangerlebnis, dem so gar kein Fusionsdünkel anhaftet und den Hörer in den Bann zieht.
Am Konzert in der Reitschule wird Omri Hasons Trio um die indische Sängerin Sandhya Sanjana erweitert. Sie wuchs in Neu-Delhi auf, wo sie schon in jungen Jahren mit dem Studium des klassischen indischen Gesangs begann. Angezogen von der neuen Energie der Rockmusik, sang Sandhya Sanjana später in Pop- und Rockgruppen mit. Dann hörte sie die Musik von Miles Davis und John Coltrane. Fasziniert von diesen Welten, wendete sich Sanjana vermehrt dem Jazz zu. Neben verschiedenen Zusammenarbeiten mit Alice Coltrane ist Sanjana Mitglied in Ramesh Shothams Gruppe Madras Special.
Ihr Bewegen zwischen verschiedenen Kulturen und die Offenheit gegenüber neuen Stilrichtungen machen Sandhya Sanjana zu einer Künstlerin, die ideal ins Konzept der Konzertserie „World Women Voices“ passt, welche im Rahmen des beeflat Programms stattfindet. Die auftretenden Künstlerinnen leben meist zwischen den Kulturen und leisten einen wichtigen Beitrag zur Völkerverständigung. Trotz dieser Vermittlungsrolle bleiben diese Frauen vom Musikgeschäft weitgehend unbeachtet. Nicht selten bietet die „World Women Voices“ Serie starke Konzerterlebnisse, geprägt von ebenso starken Persönlichkeiten. Die anstehende Begegnung zwischen Sandhya Sanjana und Omri Hasons Trio dürfte einer dieser Höhepunkte werden.
Bild: Sandhya Sanjana/ zVg.
ensuite, Oktober 2003