Salvatore Pinto — Interview mit Red Canzian: Nach 40 Jahren gemeinsamer Bühnenpräsenz bestand die legendäre Musikgruppe Italiens «I Pooh» plötzlich statt aus vier nur noch aus drei Mitgliedern. Der Grund: Der Schlagzeuger Stefano d’Orazio verliess kurzerhand die Band. Dem Eigenwillen und der Leidenschaft zur Musik ist es zu verdanken, dass «I Pooh» drei zusätzliche Musiker ins Boot holten, um weiterzumachen, unter anderem mit dem Sohn des Bandleaders Red Canzian in der Rolle des Drummers. ensuite-kulturmagazin hat Red im Rahmen der Tournee «Dove comincia il sole live» in Zürich getroffen – zu Deutsch: «Wo die Sonne beginnt».
Ciao Red, wie geht es dir?
Sehr gut, danke. Momentan befinden wir uns unter italienischem Regen … Wir freuen uns aber sehr, mit unserer Show hier in der Schweiz zu sein.
Die nächste Frage liegt auf der Hand: Wie fühlt ihr euch auf der Bühne, seit euch Stefano d’Orazio verlassen hat?
Wir haben mehr Platz (lacht) … nein, Spass beiseite. Neu sind wir zu sechst auf der Bühne, deshalb ist es enger geworden. Das ist aber völlig in Ordnung. Stefano hat sich entschieden, unsere Band zu verlassen, und wir haben es akzeptiert. Er ist an einem Wendepunkt in seinem Leben angelangt … und was ich betonen möchte: Wir sind Freunde geblieben. Nun: Roby, Doti und ich haben uns entschieden, weiterzumachen. Unser Leben ist die Bühne und das Musikmachen für unsere Fans.
Wie du soeben bestätigt hast, seid ihr zu sechst. Wer sind diese neuen Musiker und wie habt ihr euch musikalisch und technisch auf der Bühne organisiert?
Jetzt haben wir einen unglaublichen Schlagzeuger, der mit gerade mal 29 Jahren bereits ein Bühnenmonster ist: meinen Sohn. Er hat bereits mit Pino Daniele, Patty Pravo, Malika Ayane und vielen Anderen zusammengearbeitet und deshalb bereits seine eigenen Erfahrungen gemacht, bevor er zu uns auf die Bühne gekommen ist. Auch das Repertoire der Pooh war kein Problem für ihn, da er bereits als kleiner Junge mit uns im Tonstudio war; unsere Musik hat er im Blut. Unser Publikum hat ihn gut aufgenommen, was uns riesig freut. Weitere zwei Musiker sind Ludovico Vagnoni und Darigo Ballo. Dank ihnen haben wir einen imposanten Sound auf der Bühne und die Konzerte sind erste Sahne.
Was erwarten die Fans von dieser neuen Band?
Vor unseren Fans wollen wir als neugeborene Band auftreten, voller Elan, und das alles mit unseren alten und neuen Songs.
Red, wie ist es überhaupt möglich, vierzig Jahre lang in einer Band zusammen zu bleiben? Erklärst du uns, wie ihr diese Jahre musikalisch und freundschaftlich erlebt habt?
Es war überhaupt nicht einfach. Wir haben uns wiederholt zerstritten, was uns aber geholfen hat, uns weiterzuentwickeln. Bereits als junge Männer machten wir zusammen Musik. Wir sind sozusagen an der «Scuola dei Pooh» erwachsen geworden. Als Stefano schliesslich die Band verliess, war der Moment höchst emotional – verständlich irgendwie …
Einige Zeitungen haben geschrieben, dass Stefano die Band wegen seines fortgeschrittenen Alters verlassen hat. Stimmt diese Behauptung?
Das Alter hat sicher eine grosse Rolle gespielt. Vor einigen Tagen habe ich meinen 60. Geburtstag gefeiert, doch dabei hatte ich keineswegs das Gefühl, die Musikszene verlassen zu müssen. Oft hören Musiker auf nur weil sie ein gewisses Alter erreicht haben. So haben es zum Beispiel Vasco Rossi oder Ivano Fossati getan. Glücklicherweise habe ich dieses Problem nicht. Im Gegenteil: Am liebsten würde ich sogar auf der Bühne sterben.
Ihr seid als progressive Band geboren und wurdet immer kommerzieller. Wieso?
Meiner Meinung nach gibt es keine Gründe, weshalb eine Band ihren Musikstil ändert oder andere ausprobiert. Unser letztes Album beinhaltet wieder progressivere Musik. Ein Musiker sollte seinen Gefühlen nachgehen und diese in Liedern festhalten, anstatt dem Musikmarkt zu folgen; obwohl dies in der heutigen Zeit relativ schwierig ist.
Red, vielen Dank für das Interview.
Nichts zu danken, es war mir eine Freude. Liebe Grüsse an die Leserinnen und Leser des ensuite-kulturmagazins.
Das Interview fand in italienischer Sprache statt.
Übersetzung: Noemi Pinto
Foto: zVg.
ensuite, Februar 2012