Von Morgane A. Ghilardi – Eine «Krebs-Komödie»: Es wäre übel gewesen, eine schlechte Komödie über Krebs zu drehen, meinte Seth Rogen sehr treffend in einem Interview. Zum Glück ist mit «50/50» (2011) jedoch eine sehr gelungene Abhandlung zu einer schweren, potentiell humorlosen Thematik entstanden.
Man muss tatsächlich einen Sinn für Humor haben, wenn man als gesunder junger Mann in den Zwanzigern eine sehr seltene und schwer zu behandelnde Art vom Krebs hat. Wenn dann der Arzt so viel Takt wie ein Klumpen Beton hat, und man mit der Freundin eigentlich erst die zarten Anfänge einer Beziehung ertastet, scheint die Diagnose wie ein kosmischer Schlag ins Gesicht. Doch es gibt noch Hoffnung für Adam (Joseph Gordon-Levitt), denn seine Überlebenschancen stehen 50:50. Mit genügend Willen und wirksamer Chemotherapie kann dem Krebs der Kampf angesagt werden. Gekämpft wird aber auf einmal auch im sozialen Umfeld, wenn man sich mit der Unmut der Mutter (Anjelica Huston) gegenüber der Freundin und dem an Alzheimer leidenden Vater herumschlagen muss, oder wenn bester Kumpel Kyle (Seth Rogen) überzeugt ist, dass Krebs das beste Mittel ist, um Frauen aufzureissen. Zur Seite steht Adam die doktorierende Katherine (Anna Kendrick), deren Versuche, Adam angemessen zu therapieren, nicht immer ganz hinhauen. Während Adams Gelassenheit gegenüber seinem Zustand wahrscheinlich einerseits auf Verdrängungsversuche und andererseits auf eine bodenständige Reaktion auf die Situation hindeutet, bleibt das Glas nicht immer halbvoll. Ab und zu muss auch den Ängsten und Frustrationen freier Lauf gelassen wird.
Man spürt bei diesem Film, dass so einiges hätte schief gehen können. Wäre der Film zu oberflächlich, die Inszenierung zu pathetisch oder die Gefühlsdarstellung zu kitschig, wäre daraus kaum eine befriedigende Geschichte geworden. Solche Schwächen plagen zum Beispiel den thematisch verwandten «Funny People» (2009) – übrigens auch mit Seth Rogen –, der durch krampfhafte Versuche, eine todernste Situation mit der Komik des Lebens zu vereinen, am Ziel vorbei schoss. «50/50» verrennt sich mit der Konturierung der Charaktere weder in karikierender Vereinfachung noch in bodenloser Zynik. Vielmehr spürt man die natürliche Art von Humor, die man im Alltag antrifft und schätzt. Auch ist die Darstellung der Freundin Rachael (Bryce Dallas Howard) bewundernswert, die es schafft, auf vergnügliche Art unbeschreiblichen Abscheu hervorzurufen.
Gordon-Levitt, der sein breitgefächertes Können wiederholt in Filmen wie «Mysterious Skin» (2004), «Brick» (2005), «(500) Days of Summer» (2009) oder «Inception» (2010) bewiesen hat, stellt den etwas trockenen, mit sich kämpfenden Adam mit herzerwärmendem Hundeblick dar. Der pragmatische Charakter seiner Figur bietet das Gegenstück zu Rogens Darstellung des Kindskopfs, der es immer wieder schafft, völlig daneben zu sein, womit er eigentlich zur Inspiration für jemanden wird, dessen Regelbewusstsein schlussendlich nic ht viel bringt. Rogens Figur wirkt auch des Öfteren abstossend drollig, und gibt nicht nur seinem erkrankten Freund, sondern auch dem Publikum Anlass für enerviertes Gelächter, die nötige Entspannung angesichts der beklemmenden Lage.
Beim Film handelt es sich um eine wahre Geschichte; nicht nur im Kontext aller Krebsdiagnosen, mit denen täglich Menschen allen Alters und Lebenssituationen konfrontiert werden, sondern auch weil Drehbuchautor Will Reiser mit «50/50» seine eigene Geschichte erzählt. Mit der Unterstützung seines Busenfreunds Seth Rogen hat Reiser selbst vor Jahren mit dieser Krankheit fertig werden müssen. Dass Rogen im Grunde sich selbst spielt, legt nahe dass der Film vielleicht ein Verarbeitungsversuch für die Freunde darstellt, welche, dem Film nach zu urteilen, einige Hürden überwinden mussten um ihre Männerfreundschaft zu bewahren.
Der Film unterscheide sich von anderen «Krebsfilmen», weil er sich nicht nur der Dramatik der Lage oder der Endzeitstimmung annehme, welche die Krebsdiagnose in irgendeiner Form mit sich bringe, beteuert Seth Rogen, und so ist es auch. Er betont den Umgang mit den Chancen, die einem gegeben werden, und wie diese ein Leben verändern oder eben nicht. Das Bangen um Adams Leben steht weniger im Zentrum, als dessen Verlauf, und die Begleiter auf seinem Weg. Der Film wird zur Abhandlung über die Absurdität des Lebens. Wie der Untertitel verrät: «It takes a pair to beat the odds».
Foto: zVg.
ensuite, November 2011