Von Konrad Weber — Vor neun Monaten geschah es. Die Schweiz verlor einen ihrer umtriebigsten und innovativsten Schlagzeuger. Fabian Kuratli unterlag im Alter von 38 Jahren dem Kampf gegen seinen eigenen Körper. Doch: Am Freitag, 22. Mai, wird Fab nochmals für einen Tag unter uns weilen.
Stil-prägend, manchmal ironisch, wenn’s aber um die Musik ging, stets höchst präzise und konzentriert. So beschreibt der langjährige Freund von Fabian Kuratli, Wolfgang Zwiauer, seinen Weggefährten und Mitmusiker. Während fünfzehn Jahren waren sie stets zu zweit unterwegs; Fab am Schlagzeug, Wolfgang am E‑Bass. Erhielt einer der beiden eine Projektanfrage, war klar, dass nur der andere auf dem Schlagzeug oder dem E‑Bass in Frage kam. «Wir waren ein gern gesehenes Team, da wir in jedem stilistischen Kontext zusammen harmonierten», erinnert sich Wolfgang Zwiauer. Trotzdem habe er sich nie gebunden oder von Kuratli in diese Teamharmonie gedrängt gefühlt.
Nach seinem Ableben sind die Drummerstellen in den meisten von Kuratlis Bands wieder besetzt. Neue Leute rückten für ihn nach, brachten ihren eigenen Sound, aber auch frische musikalische Ideen in die Musikgruppierungen. Dies sei eine gute Entwicklung, ist sich Wolfgang Zwiauer sicher: «Schliesslich willst du die Person, die nicht mehr ist, nicht einfach kopieren und glauben, es sei nun alles beim Alten geblieben. Hier greift auch die Freiheit des Jazz: Jeder kann diesen Musikstil so interpretieren, wie es ihm beliebt.» Überhaupt wäre es unmöglich den immerwährenden Schaffer am Schlagzeug, Kuratli, zu kopieren. Niemand konnte ihn in seiner Vielseitigkeit übertreffen. Ob Big-Band-Jazz, Klezmer-Sound, Singer-Songwriter oder freie Improvisationen; alles hatte Fab im Repertoire. «Er war ein Gesamtkunstwerk, auch als Person», bringt es Wolfgang Zwiauer auf den Punkt. Fabian Kuratli als Mythos? Zwiauer winkt ab: «Höchstens bei seinen engsten Kollegen ist Fab ein Mythos. Bei folgenden Musikergenerationen habe ich eher die Angst, seine unermüdlichen Leistungen könnten vergessen gehen.»
Aus diesem Grund habe er zusammen mit dem Bruder und der verwitweten Frau von Kuratli «A Tribute to Fabian Kuratli» initiiert, erklärt der 36-jährige Zwiauer. Eine zwölfstündige Abdankung im musikalischen Sinne, zu Ehren von Fabian Kuratli. 18 Bands werden am Freitag, 22. Mai, in der Berner Dampfzentrale auftreten. In jeder dieser 18 Musikformationen spielte Kuratli zu seinen Lebzeiten selbst mit. «Die Idee, einen solchen Anlass zu organisieren, entwickelte sich nach der kirchlichen Abdankung im vergangenen Sommer. Gerne wäre ich nach den besinnlichen Stunden im Berner Münster mit den 700 versammelten Musikerinnen und Musikern, Angehörigen und weiteren Trauernden Fabs Musik hören, aber auch feiern gegangen», erzählt der E‑Bassist Zwiauer. Da dies spontan nicht machbar war, legte man den Anlass in den Frühling 2009. Nun findet er unter dem Namen «Musikfestwochen» statt, einer Serie von Anlässen im Sommer, die ebenfalls von Kuratli organisiert wurden. Nebst dem Bandmusiker steckte in Fabian Kuratli auch ein begnadeter Schlagzeugdozent an der Hochschule Luzern im Bereich Jazz und ein engagierter Konzertorganisator. Wolfgang Zwiauer erinnert sich: «An der Laupenstrasse fanden die Musikfestwochen statt, eine Konzertserie, an denen auch während den Jazz-Sommerpausen ununterbrochen an neuen Projekten gefeilt und diese Abend für Abend einem eingeweihten Publikum präsentiert wurden.» Nebst der musikalischen Bereicherung und der individuellen Abschiednahme will Zwiauer mit diesem Tribute-Festival auch die Bandleader der verschiedenen Bands zusammenbringen. Denn er ist sich sicher: «Viele Bandleader wissen selbst nicht genau, wo Fab sonst noch mitwirkte oder in welchen Bands er an welcher Musik mitbastelte.» Fabian Kuratli ist die Schnittmenge all dieser Projekte gewesen. Oder um es wie Tom Gsteiger in der Abdankungsnachricht im Bund zu sagen: Eine sehr inspirierende Integrationsfigur der Schweizer Musikszene.
Seinen Mitmusikern und dem interessierten Publikum hat Fab zu Lebzeiten als Drummer, Konzert-organisator und Musikdozent vieles gegeben. Am Freitag, 22. Mai, können seine ehemaligen Band-kolleginnen und –kollegen nun alle für die Dauer eines halbstündigen Sets etwas zurückgeben. Schliesslich trete jede Musikerin und jeder Musiker ohne Gage und in Gedanken an Fab auf, erklärt Zwiauer. «Wir wollen einen schönen und interessanten Tag in Gedenken an ihn zusammen verbringen.»
Bild: Fabian Kuratli / Foto: Francesca Pfeffer
ensuite, Mai 2009