Von Lukas Vogelsang — Jetzt machen wir mal Werbung: «Schön, dass Sie SPIEGEL ONLINE lesen! Wir bieten Ihnen … Für Sie ist Spiegel online kostenlos. Wir finanzieren uns über Werbung. Viele Leser nutzen einen Adblocker, weil sie sich an aufpoppenden Fenstern stören und an Werbung, die plötzlich losdudelt. Auch wir stören uns daran – deswegen verzichten wir bewusst auf aufdringliche Werbeformate.
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Ist das nicht eine fantastische Eigenwerbung? Zumal hier der Verlag für sich Werbung macht, und nicht die Journalistinnen. Der Verlag kriegt kein Geld für seinen Medienkanal – die Schreibenden, die den Inhalt liefern, kriegen aber immer noch ihren Lohn. Niemand – bei so einem grossen Verlag – muss gratis arbeiten. Wenn sie also Adblocker einschalten, kriegen die Journis nicht einfach nur noch Wasser und Brot. Dafür gibt es Verträge.
Aber es ist doch verrückt: Da ist eine Online-Plattform, die pro Monat ungefähr 11.3 Millionen Besucher verzeichnet und im Jahr 2011 einen Webeumsatz von ungefähr 30 Millionen Euro verzeichnete, am Jammern. Es muss ja schon schlimm sein, dass dieses Unternehmen, welches notabene keine Druckfremdkosten produziert und keine Papierlogistikkosten kennt, einen öffentlichen Aufruf machen muss. Wahrscheinlich kann man sich mit dem fetten Gewinn kein Penthouse mehr leisten in der Chefredaktion.
Es ist ein interessanter Gedanke – und ich gebe gerne zu, dass ich als Verleger auch davon betroffen bin: Medien bieten ihre Produkte gratis an und bitten die KonsumentInnen, die Werbung, zumindest technisch, nicht auszublenden. Man bittet nicht darum, die Werbung anzusehen und den verlockenden Rufen zu folgen – nein. Man will nur, dass die Werbegelder der werbenden Unternehmen die Verlage subventionieren. Durch die technischen Möglichkeiten hat ein werbegeldinvestierendes Unternehmen heute keine Möglichkeit, effektive Transparenz zu erhalten, wo das Geld hinfliesst – Kampagnengeld hat ein hohes Streupotential. Sprich: Werbegelder werden über viele Unternehmen in viele Kanäle gestreut und versickern so einfach in den Verlagen. Mit diesen Geldern werden Unternehmen bezahlt, die keine Produkte verkaufen. Dienstleister eben. Der Journalismus von heute sieht sich als Dienstleistungs- und nicht mehr als Handwerksbetrieb. Und wenn die Werbemärkte zusammenbrechen, dann sind solche Unternehmen bettelarm.
Solche Unternehmensphilosophien kranken. Die Systeme, welche so geschaffen wurden, sind sowas von dekonstruktiv für die Werbemärkte. Mit gleichem Erfolg kann sich ein Starpianist die linke Hand abhacken.
Stellen Sie sich vor, liebe LeserInnen, die TV-Stationen würden neuerdings dafür werben, dass Sie während dem Film aufs Klo gehen, in der Küche Knabber-Nachschub holen oder SMS schreiben sollen – um während den Werbepausen, die inzwischen mehr als 10 Minuten dauern, bitte vor dem TV sitzen zu bleiben. Und dies nur, damit die TV-Stationen wieder satte Gewinne ausweisen und noch mehr langweilige Brabbel-Serien aus Amerika einkaufen können. Wow.
Ich möchte einfach mal wieder daran erinnern, dass früher, vor vielen Jahren, die Zeitungen täglich mit Bleisatz gelayouted wurden. Da gab es noch keine Computer, Internet, Roboter – da wurde noch von Hand gearbeitet. Die Produktionsabteilungen waren personell grös-ser als die Redaktionen. Und trotzdem: Diese Zeitungen haben diese Zeiten überlebt. Ohne Online-News-Webseiten.
Irgendwas läuft wirklich ganz schief.
Foto: zVg.
ensuite, Juni 2013