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Ach, Rosie!

Von Lukas Vogel­sang — Wir wis­sen nicht mal, ob sie es über­lebt. Lorenz, der schwule Schrift­steller in Krise, und seine Schwest­er Sophie erwis­cht es kalt: Rosie hat einen leicht­en Schla­gan­fall erlit­ten, und jet­zt ste­ht die Fam­i­lie vor vie­len Fra­gen. Rosie hat es ein wenig über­trieben mit der Selb­stver­nach­läs­si­gung. Und sie kann auch wirk­lich ner­ven. Aber trotz­dem: aller­lieb­st!

Rosie ist noch voll im Schuss. Sie will Leben, will wie vorher das Leben geniessen. Aber so ganz ein­fach ist das nicht. Und die ganze Fam­i­lie lei­det darunter. Rosie muss betreut wer­den – die Pri­vatleben der Kinder kom­men durcheinan­der. Es läuft bei bei­den nicht alles rund – Sophie tren­nt sich mal kurz von ihrem Mann, und das Buch von Lorenz kommt nicht so recht in Schwung, höch­stens sein Liebesleben. Aber auch dieses geht erst mal im Chaos unter. Wer die Ruhe stört … bringt Licht in die Grau­zo­nen. Und so bringt Rosie nochmals richtig Schwung in die Bude.

Der Film reist sub­til durch die Fam­i­liengeschichte, streift Zonen, die wir sel­ber ver­drän­gen, stellt Fra­gen, denen wir uns nicht stellen wollen. Alles dreht sich um Beziehun­gen, um Lebensvorstel­lun­gen, um ver­lorene Träume und Äng­ste. Die Schaus­pielerIn­nen sind wun­der­bar. Rosie, gespielt von Sibylle Brun­ner, stellt alles ein wenig in den Schat­ten, aber auch Lorenz (Fabi­an Krüger) hat sich den Charak­ter gut einge­fleis­cht. Bei Sophie (Judith Hof­mann) ist der Charak­ter etwas gar über­dreht, aber sie hat auch kaum Raum, diesen zu ent­fal­ten. Und Mario (Sebas­t­ian Ledes­ma) bringt die Jugendlichkeit und auch eine gewisse «Nor­mal­ität» in den Film. Der Film ist aus einem Guss, alles funk­tion­iert und spielt her­vor­ra­gend miteinan­der. Und fein bringt die Geschichte alte, uner­wartete Dinge ans Licht. Schmerzhaft.
Mar­cel Gisler hat einen fan­tastis­chen Film geschaf­fen. Im Vor­feld wurde bere­its ange­priesen, dass es der beste Mundart-Film seit langem ist. Und wirk­lich! Die Dialoge sind fan­tastisch, nor­mal, die Sit­u­a­tio­nen wirk­lich lustig, und was diesen Film vor allem ausze­ich­net ist der frische und ehrliche, echte Humor. Mar­cel Gisler über­trifft sich manch­mal bit­ter­böse – aber bril­lant! Mit jed­er Minute wächst uns Rosie und der ganze Haufen mehr ans Herz. Dabei ist die Geschichte wed­er gross kon­stru­iert noch abschreck­end «schweiz­erisch» bieder. Zim­per­lich ist der Film auch nicht. Zwis­chen ein­er furzen­den Rosie und ein­er hem­mungslosen Sexszene zwis­chen zwei Schwulen bricht Gisler Tabus, ohne mit der Wim­per zu zuck­en. Wir Zuschauer aber zuck­en dauernd zusam­men – aber grin­sen dann auch über die Lebendigkeit des Lebens, die Gisler im Film fest­ge­hal­ten hat. Diese Ehrlichkeit bringt Schwung in unsere Moralvorstel­lun­gen. Kalt lässt uns das alles nicht – und es macht unheim­lich fröh­lich.

«Rosie», Schweiz 2013, Regie: Macel Gisler. Länge 106 Minuten.

Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2013

Artikel online veröffentlicht: 30. Juli 2019