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Alien: Isolation – der Film im Videospiel

Von Andreas Meier - Das Über­set­zen eines Stoffes in ein anderes Medi­um ist keine neue Her­aus­forderung, doch kaum irgend­wo hat sie so viel Mist pro­duziert wie an der Schnittstelle zwis­chen Film und Videospiel. Spätestens seit dem berüchtigten E. T. — Spiel von 1982, von dem hun­dert­tausende unverkaufte Exem­plare in New Mexiko ver­schüt­tet wur­den, haben Fil­madap­tio­nen einen schlecht­en Namen. Das hat ein­er­seits sich­er damit zu tun, dass die Pub­lish­er darauf hof­fen kön­nen, dass der Marken­name alleine reicht, um einen Gewinn zu machen. Doch ein Grund, von dem weniger gesprochen wird, ist die Tat­sache, dass Videospiele schlicht ein Son­der­fall sind und wenig mit «tra­di­tionellen Medi­en» gemein­sam haben, was eine Über­set­zung schwierig gestal­tet.

Entwick­ler greifen oft auf lang etablierte Game­play-Kon­ven­tio­nen zurück, wer­fen einige erkennbare Ele­mente hinein und klatschen den Marken­na­men drauf. Oder aber sie hal­ten sich viel zu sklavisch an das Quel­len­ma­te­r­i­al und pro­duzieren ein Spiel, das eigentlich ein Film sein möchte.

Das neue «Alien: Iso­la­tion» von The Cre­ative Assem­bly bege­ht diese Fehler nicht und ist eine über grosse Streck­en meis­ter­hafte Adap­tion von Rid­ley Scotts Klas­sik­er «Alien» (1979). Scotts Film, der mit sein­er düsteren Ästhetik herun­tergekommen­er Tech­nolo­gie und H. R. Gigers sex­uell bedrohlichem Mon­ster sowohl den Sci­ence-Fic­tion- wie auch den Hor­ror­film rev­o­lu­tion­ierte, wurde in der Geschichte der Videospiele stets von James Camerons Nach­fol­ger «Aliens» (1986) über­schat­tet. Mit seinen Sol­dat­en und hun­derten von Mon­stern passte dieser bess­er in bere­its beste­hende Spiel­gen­res als Scotts schw­er­fäl­liger und langsamer Vorgänger.

«Alien: Iso­la­tion» ist das erste Alien-Spiel, das sich voll­ständig auf den ersten Film bezieht, von Sound­track und visuellem Design bis hin zur Ebene der Spielmechanik, ohne jedoch die Hand­lung des Films zu repro­duzieren. Das Spiel han­delt von der baufäl­li­gen Raum­sta­tion Sev­astopol, welche der Spiel­er in der Gestalt der Mechanikerin Aman­da Rip­ley besucht, um her­auszufind­en, was mit ihrer Mut­ter Ellen Rip­ley nach den Ereignis­sen des ersten Films passiert ist. Natür­lich sind die Men­schen nicht allein auf der Sta­tion, doch noch bevor sich das Alien zum ersten Mal zeigt, ist klar, mit welch­er Hingabe die Entwick­ler die Ästhetik des Films über­set­zt haben; der­selbe retro-futur­is­tis­che Look, dieselbe sparsame Beleuch­tung, diesel­ben labyrinthis­chen, klaus­tro­pho­bis­chen Räume. Die Sev­astopol selb­st ist ein Mon­strum, ein ster­ben­der Moloch, der fast so viel Wieder­erkennbarkeitswert und Charak­ter besitzt wie das Alien selb­st.

Die Darstel­lung des Mon­sters ist abso­lut furchte­in­flössend. Von der über­ra­gen­den Höhe, über das Zis­chen und die schw­eren Fusss­chritte, bis zu der Ani­ma­tion und dem Ver­hal­ten fängt das Spiel Gigers Mon­ster per­fekt ein. Es ist eine kon­stante Gefahr und lauert stets im Hin­ter­grund. Kampf oder Flucht sind sofor­tige Todesurteile; nur Ver­steck­en und Schle­ichen hil­ft, und selb­st das ist häu­fig nut­z­los. Das Alien ist unberechen­bar und fol­gt keinem fes­ten Muster – eine beein­druck­ende Pro­gram­mier­leis­tung. Die sel­teneren Auseinan­der­set­zun­gen mit anderen Geg­n­ern, Men­schen und Androiden, sind primär dazu da, die Inter­ak­tion mit dem Alien noch gefährlich­er und inter­es­san­ter zu machen, da jeglich­er Lärm es anlockt, was absolutes Chaos und unvorherge­se­hene Resul­tate nach sich ziehen kann.

Die Meis­ter­haftigkeit von «Alien: Iso­la­tion» liegt darin, wie es eine Treue zur Vor­lage nicht nur durch audio-visuelle Ästhetik, son­dern auch durch eine Diver­sität der Spiel­sys­teme auszu­drück­en ver­sucht. Es verbindet zahlre­iche Ein­flüsse aus anderen Spie­len und Spiel­gen­res, um die Über­set­zung des Films zu ermöglichen. Im Kern fol­gt es den Kon­ven­tio­nen des Schle­ich­spiels, mit­samt diversen Uten­silien, mit denen man seine Feinde ablenken kann. Doch übern­immt es unter anderem auch den Fokus auf Wehrlosigkeit und Ver­wund­barkeit des Indie-Hor­ror­spiels «Amne­sia: The Dark Descent» (2010), sowie die Erzähltech­niken des Sci-Fi-Klas­sik­ers «Sys­tem Shock 2» (1999). Das Ergeb­nis ist ein stim­miges Amal­gam divers­er Spiel-Tra­di­tio­nen, das die Atmo­sphäre des Films per­fekt aus­drückt.

«Alien: Iso­la­tion» ist somit gle­ich dop­pelt erstaunlich: als langsames und schwieriges Spiel eines grossen Pub­lish­ers in ein­er Indus­trie, die zu oft auf das Kurzweilige und Sim­ple set­zt, sowie als seltenes Beispiel ein­er gelun­genen Fil­madap­tion.
«Alien: Iso­la­tion» ist erhältlich für PC, Playsta­tion 3 und 4, XBOX 360 und XBOX One.

Artikel online veröffentlicht: 22. Juni 2016