Von Fabienne Naegeli — Frühstück auf der Szene, kurz FRADS, präsentieren das in Zusammenarbeit mit der Dramatikerin Daniela Janjic entstandene kammerspielartige Theaterstück «Wurzelzeit» zum Thema «Immaterielles Kulturerbe».
Seit einigen Jahren erleben Bräuche und Traditionen ein Revival. 2003 verabschiedete die UNESCO das Übereinkommen zur Bewahrung des «Immateriellen Kulturerbes». Mit der Ratifikation dieser Konvention hat sich die Schweiz 2008 verpflichtet, ein Inventar, die «Liste der lebendigen Traditionen in der Schweiz», zu erarbeiten. Das Sommerthema von Schweiz Tourismus 2013 lautete «Der Sommer der lebendigen Traditionen». Kurzum: Heimatgroove, CH-Musik, Fasnacht, Chilbi, Fahnenschwingen, Alpaufzug und Fondue sind im Trend. Inspiriert von dieser Entwicklung hat sich das Kollektiv FRADS gemeinsam mit der Autorin Daniela Janjic Fragen zum Umgang mit immateriellem Kulturerbe gestellt: Welche Funktionen nehmen Traditionen in einer sich im Wandel befindenden Gesellschaft ein? Wie konstituieren Bräuche die kulturelle Identität und den sozialen Zusammenhang einer Gemeinschaft? Und welches sind dabei die problematischen Seiten, d.h., wer darf mitmachen und wer wird ausgeschlossen?
«Wurzelzeit» ist ein vom Aussterben bedrohter, fiktiver, aber von realen Traditionen inspirierter Brauch. Er geht auf eine Legende über eine Hungersnot zurück, die durch eine Wurzel gelindert werden konnte. Die Dorfbevölkerung und die örtliche Kulturkommission haben jedoch zunehmend weniger Interesse, diese Tradition weiterhin zu pflegen und finanziell zu unterstützen. In einer Berghütte versuchen nun drei Kulturträger und ein Fremder das Wurzelritual durchzuführen. Babs ist Kulturbeauftragte und möchte den Wurzelbrauch bewahren. Aufgrund ihrer engen Beziehung zum Dorf bedeutet er für sie Heimat und Gemeinschaft. Gegenüber Flocke, einem ausländischen Unternehmer, der als Gast beim Ritual dabei sein darf, hat sie eine abweisende Einstellung. Er ist erst kürzlich in die Gegend gezogen, und will sich durch die Teilnahme in die dörfliche Gemeinschaft einbringen. Mandolin hingegen will die Tradition erneuern, um damit seine Karriere als Musiker voranzubringen; und auch Fini, die Sozialanthropologin, will den Brauch verändern. Im Auftrag des Tourismusverbandes produziert sie eine Dokumentation über «Wurzelzeit» und hofft, dass sich der Brauch dadurch besser vermarkten lässt. Währenddem die einen also versuchen die Tradition zu erhalten, möchten die anderen diese weiterentwickeln. Im Dorf unten wartet man bereits auf die Rückkehr der vier.
Die Kammerkomödie «Wurzelzeit» stellt unterschiedliche Positionen in der Diskussion um das immaterielle Kulturerbe und seine Vermarktung aus, und liefert damit einen satirischen Kommentar zum Umgang mit lebendigen Traditionen und archivierten Bräuchen.
Text: Daniela Janjic. Regie: Alexandra Portmann. Spiel: Ruth Huber, Anna Messmer, Raphael Muff. Spiel/Musik: Christoph Trummer. Dramaturgie: Assunta Steiner. Bühne: Philipp Langenbacher. Licht/Technik: Nik Friedli, Edith Szabò. PR: Lucia Bühler.
Foto: zVg.
ensuite, März 2014