Von Anna Vogelsang — …«Komm doch nächste Woche an die Art Basel Vernissage mit.» – «Liebend gern, aber ich hab keine Einladung.» – «Mach dir kein Kopf deswegen. Ich bin ein Kunstträger.» – «?» – «Ich trage die Bilder in die Hallen. Also, komm nach Basel. Es wird ganz bestimmt nicht langweilig.»
Der Kunstträger hat sein Wort gehalten, und so stürmte unsere kleine Mannschaft aus Studenten, Künstlern und Freundinnen von Künstlern in die Messehallen. Dies war vor über 10 Jahren, und seit dem steht Art Basel fest in meiner jährlichen Agenda: Ich reserviere gleich einen ganzen Tag dafür. Und obwohl ich die Messe so oft besucht habe, bleibt sie für mich wie ein Labyrinth: Ich weiss zwar, wo Ein- und Ausgänge sind, wo sich die namhaften Galerien befinden, wo die Newcomer angesiedelt sind, und wo ich einen «Pitstop» für Café und Sandwich mache. Aber alles, was sich dazwischen abspielt bleibt unvorhersehbar. Ich weiss, nach was ich suche, und lasse mich trotzdem überraschen: Manchmal bin ich begeistert, manchmal enttäuscht.
Gegründet wurde Art Basel 1970 von drei Basler Galeristen – Ernst Beyeler, Trudi Bruckner und Balz Hilt. Heute gilt die Messe als weltweit wichtigste für die zeitgenössische, moderne und klassische moderne Kunst. Über 300 Galerien aus Europa, Nordamerika, Lateinamerika, Asien und Afrika zeigen auf der 45. Art Basel die Arbeiten von über 4’000 KünstlerInnen. Interessanterweise sitzt nur eine Vertreterin der Schweiz (Galeristin Eva Presenhuber, Zürich) im Selektionskomitee, das über die Teilnahme der Galerien an der Show entscheidet. Die Webseite der Messe «spricht» weder Deutsch noch Französisch, dafür aber Englisch, Chinesisch und Japanisch. Wer sich explizit für den aktuellen Stand der Schweizer Kunst interessiert, dem bleibt der Besuch «Swiss Art Awards» (siehe Informationen unten).
Die Art Basel wird nicht nur mit Jubel wahrgenommen, denn sie gilt nur für einen eingeschworenen Kreis als relevant. Der Kunstmarkt generell ist alles andere als transparent. Seit Kunst als ein Anlageobjekt gilt, werden die Geschäfte nicht nur mit den Werken, sondern auch mit deren Versicherung gemacht. Art Basel ist ein Platz, wo sich die Galeristen, Künstler, Sammler, Versicherungsgesellschaften, öffentliche Institutionen und kunstinteressiertes Publikum treffen. Manche von diesen Gruppen können an der Messe ihre Kontakte knüpfen und neue gewinnen. Die anderen gleiten nur an einander vorbei wie die Fische in abgetrennten Aquarien.
Von Jahr zu Jahr bietet Art Basel die Möglichkeit, die Tendenzen, die Ideen und Ideenlosigkeit (an manchen Jahren war es schmerzhaft deutlich zu sehen) in der modernen Kunst zu beobachten. Der Besuch über mehrere Jahre schärft die Wahrnehmung der zeitgenössischen Kunst, und beseitigt die Berührungsängste mit dem Neuen. Die Messe reagiert wie ein Seismograph auf den Markt. So waren vor 2008 die experimentellen Arbeiten der kaum bekannten Künstler auch von den traditionellen Galerien gezeigt worden, und nicht nur im Statements Sektor zu sehen. Kaum kam die Wirtschaftskrise verschwanden die «Experimente», und die «erprobte» Moderne kehrte zurück in die Manege: In den Krisenzeiten lässt sich ein «Experiment» schlecht verkaufen. Im einen Jahr war die Fotografie omnipräsent; ein Jahr später Videokunst-Objekte. Und ein Jahr später waren beide Gattungen wie von einem schwarzen Loch verschluckt. Dass manche Künstler gleich durch mehrere Galerien vertreten werden erzeugt einen Wiedererkennungseffekt, und in manchen Fällen bereitet dies einen Hype um den Namen.
Doch es geht bei der Art nicht nur um Show und den Verkauf von Kunst, sondern auch um «sehen und gesehen werden». Und das gilt nicht nur für die Galeristen und deren Künstler, sondern auch für die Besucher. Durch die Hallen flanierend kann man Gesellschaftsstudien betreiben. Vor einigen Jahren hörte ich ungrwollt mit, wie ein aufgetakeltes Paar lebhaft diskutierte, ob sie nun am besten «diesen Picasso», oder doch den Malevich «da drüben» für das neue Badezimmer kaufen sollten. Dabei stand das Pärchen vor einem Bild von Fernando Botero. Ich hoffte damals, dass sie sich nicht entscheiden können.
Gehen Sie an die Messe ohne falsche Erwartungen, ohne voreingenommen zu sein. Lassen Sie sich inspirieren, überraschen und provozieren. Und wenn nichts von dem mit Ihnen geschieht, gehen Sie in einem Jahr wieder, denn alles wird genau gleich, und alles wird absolut anders sein.
Foto: Lukas Vogelsang
ensuite, Juni/Juli 2014