Von Till Hillbrecht — Der neue Berner Stadtteil ist Zukunftsmusik: Es stand schon schlechter um die Muse in der Schweizer Hauptstadt. Der Abstimmungskampf um die Reithalle trieb musikalische Blüten in die Höhe, und es findet sich auch ein stetig wachsendes Publikum für heimisches Musikschaffen. Dennoch: Abgesehen von Müslüms Hitsong über Erich Hess hat das Jahr 2010 noch nicht viel Neues hervorgebracht. Dabei könnte gerade dieses Jahr schicksalhaft werden für eine hiesige Band, die vor knapp zwei Jahren ihre erste EP produziert hat. Seither köcheln die vier Berner von «Swatka City» an ihrem geradlinigen, schonungslosen Rock. Indie-Rock, ist man versucht zu sagen, aber raffiniert genug, dass die abgegriffene Bezeichnung «Indie» nur als Vorschlag durchgeht. Treffenderes ist nicht in Sicht. Auch ihr Rock ist nicht neu erfunden, und in ihrem Sound warten gängige Muster auf: Rohe Stromgitarrenklänge in melancholische Melodien verflochten, halbwegs eingängige Grooves entlang der Grenze zwischen Mitsingen und Abdriften in Soundscapes. Aber er ist frisch verpackt, und zu einem soliden und innovativen Performancegesamtpaket verschnürt. Seit ihrem EP-Release und dem ersten Auftritt im Les Amis 2009 in Bern, hat Swatka City Luft auf grösseren Bühnen geschnuppert, und ist reif für sie geworden.
Vielleicht deshalb ist es nicht verwunderlich, dass all die Dinge passieren, die dieses Jahr gebracht hat: Nach einer Tour durch Osteuropa vor einem Jahr, gewann Swatka City den Waldbühnen-Wettbewerb und spielte am Gurten Festival mit dem Jury-Prädikat: «Die grosse Entdeckung des Contests». Und bevor es im November auf die zweite, ausgedehnte Tour durch den Osten geht, hat die Band ihren wohl bisher grössten Triumph gelandet: Regisseur Dani Levy hat sie für seinen neuen Film «Das Leben ist zu lang» entdeckt, in welchem sich die versammelte Schauspielgarde Deutschlands die Ehre gibt. Wie kam es dazu?
«Wir haben unseren selbst produzierten Clip zu <Off Your Beaten Tracks> am Gässli Film Festival Basel eingereicht», sagt Sänger und Gitarrist David Nydegger. Am Festival war Levy geladener Ehrengast, und er zeigte sich beeindruckt von der Arbeit. «Irgendwann kam ein Anruf von Levy, ob er etwas von unserem Material für seinen Film benutzen könne», so Nydegger, der die Videoclips der Band selber produziert, während sein Bruder Matthias – Drummer der Band – Booking und Organisation übernimmt.
Dass dabei der von Levy ausgewählte Track «Run, Run, Run» «nur» für den Abspann benutzt wurde, dürfte Swatka City wenig stören. Einen Trip nach Berlin, im vergangenen August an die Premiere des Films, war dies allemal wert. Und es wäre nicht indie genug, hätte Swatka City dabei die Chance zu zwei Konzerten in der deutschen Metropole verstreichen lassen. Selbst organisiert, versteht sich, Do it Yourself, eben. Dass die in Berlin gänzlich unbekannten Berner dabei nicht auf volle Ränge setzen konnten, fiel weniger ins Gewicht als die Möglichkeit, ihre Band auf fremde Bühnen voranzutreiben. Auf mehr Publikum können die Gebrüder Nydegger, Jonas Enkerli (Gitarre) und Kaspar Hochuli (Bass) auf ihrer Tour durch Kroatien, Slowenien, Ungarn und Österreich hoffen. Denn dort haben sie sich während der letztjährigen Tour ihren Ruf schon aufgebaut – wie gut der ist, weiss nur, wer da war.
Doch: Es ist ein beeindruckendes Palmarès für eine Band ohne Vertrag, ohne Label, für eine Band, die irgendwie eben «indie» ist. Ob diese Unabhängigkeit auch den weiteren Weg bestimmen soll? «Natürlich wollen wir einen Schritt weitergehen», meint Nydegger, doch der Anfang sei am schwierigsten: «Einerseits hat man alles unter Kontrolle, andererseits muss man alles selber organisieren. Es ist sehr anstrengend und aufwendig, auch die Organisation der Tour». Seit dem Filmbeitrag für Levy sei es den Vieren aber ernster geworden um die Band: «Auch der Gurten-Auftritt hat uns extrem motiviert», sagt der Berner. Konsequenz der engagierten Arbeit ist das Tüfteln am ersten Longplayer, der anfangs nächsten Sommer aufgenommen wird. Einerseits ist viel neues Material dazugekommen, andererseits ist das Fristen des Bandlebens um einiges einfacher mit einem eigenen Album. Auf diversen Bühnen zu Konzerten zu kommen ist ohne eine Platte in der Tasche schier unmöglich. Aller Anfang ist schwer. Und Swatka City ist doch noch mitten im Anfang, wo die Wege in alle Richtungen führen. Da bleibt zu hoffen, dass sich der Charme der Gruppe hält, und der solide Auftritt bleibt. Wie «indie» dass sein wird, ist dann irgendwie doch recht egal.
Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2010