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August: Osage County

Von Mor­gane A. Ghi­lar­di – Fam­i­lien­dra­ma par excel­lence: In der mörderischen Augusthitze reisen die Töchter von Bev­er­ly und Vio­let West­on (Sam Shep­ard und Meryl Streep) zurück in ihre Heimat in Osage Coun­ty, Okla­homa; ihr Vater sei spur­los ver­schwun­den. Es ist kein Geheim­nis, dass Bev­er­ly Alko­ho­lik­er ist und ab und zu das Bedürf­nis ver­spürt, sich in ein­er Bar zu verkriechen, um von sein­er pil­len­süchti­gen und kreb­skranken Frau wegzukom­men. Also nimmt man an, dass er bald zurück­kehren wird. Trotz­dem löst sein Ver­schwinden vieles aus. Dass Vio­lets Beziehung zu ihren Töchtern mehr als stra­paziert ist, zeigt sich in ihrem Umgang mit Ivy (Julianne Nichol­son), Karen (Juli­ette Lewis) und Bar­bara (Julia Roberts) ziem­lich schnell. Es ist schwierig mitzuhal­ten, da die Belei­di­gun­gen und Erniedri­gun­gen so schnell aufeinan­der fol­gen. Als Bev­erlys Leiche gefun­den wird, bricht der Zusam­men­halt der Fam­i­lie völ­lig zusam­men. Nach­dem die benebelte und aggres­sive Vio­let ihre älteste Tochter Bar­bara zu ein­er harten Kon­fronta­tion provoziert, wird sie gezwun­gen, ihre Pillen aufzugeben. Der Arzt weist darauf hin, dass ihr Dro­genkon­sum zu einem Hirn­schaden geführt hat. Für eine kurze Zeit führt dies zu einem weniger bit­teren Umgang inner­halb der Fam­i­lie, doch bald steigern sich die Gefüh­le bis es zu weit­eren, hefti­gen Kon­fronta­tio­nen kommt, welche die Fam­i­lie völ­lig zu zer­stören dro­hen.

«August: Osage Coun­ty» (2013) ist nach «Bug» (2006) und «Killer Joe» (2012) das dritte The­ater­stück von Tra­cy Letts, welch­es von ihm selb­st zur Ver­fil­mung adap­tiert wurde. Während die zwei let­zteren von William Fried­kin ver­filmt wur­den, wurde «August» von John Wells filmisch umge­set­zt. Letts, der nicht nur schreibt, son­dern auch selb­st viel auf der Bühne und vor der Kam­era zu sehen ist – jüngst in der drit­ten Staffel der Hit­serie «Home­land» –, erhielt für «August» 2008 einen Pulitzer. «August» lässt ahnen, dass er ein Fan des Fam­i­lien­dra­mas im Stil der grossen amerikanis­chen The­at­er­autoren ist. Die Ähn­lichkeit­en zu Lil­lian Hell­mans «The Lit­tle Fox­es» (1939), Eugene O’Neills «Long Day’s Jour­ney Into Night» (1956) oder Edward Albees «Who’s Afraid of Vir­ginia Woolf?» (1962) sind unverkennbar. Jedoch wirkt das Stück nicht wie eine Kopie eines Klas­sik­ers; vielmehr bietet dieses Stück eine Erweiterung ein­er bit­teren und berühren­den Frage: Was geschieht, wenn die Kluft zwis­chen Indi­viduen und Gen­er­a­tio­nen in ein­er Fam­i­lie zu unwider­ru­flichen Schä­den führt?

Der Kon­flikt, der im Zen­trum des Geschehens ste­ht, ist zwis­chen den Erwartun­gen der älteren Gen­er­a­tion und den Bedürfnis­sen der jün­geren Gen­er­a­tion ange­siedelt. Während Vio­lets Töchter Unab­hängigkeit und Frei­heit vom Trau­ma und den Neu­rosen ihrer Eltern suchen, kämpfen Vio­let und Bev­er­ly noch immer mit der harten, gewaltvollen Ver­gan­gen­heit, welche viele ihrer Gen­er­a­tion erlebt haben. Sie wollen sich auf ihre Kinder stützen kön­nen, denen sie ein besseres Leben bieten kon­nten, und deren Streben nach Dis­tanz ihr Herz gebrochen hat.

Für manche mag diese Geschichte nicht weit­er bemerkenswert scheinen; doch genau weil dieser Kon­flikt wahrschein­lich in fast jed­er Fam­i­lie aus­ge­tra­gen wird – wenn auch nicht immer in ein­er solch hefti­gen Form –, tre­f­fen einen die The­matik und der Ton des Films immer wieder auf eine sehr per­sön­liche Art und Weise. Manch­mal führt dies zu schal­len­dem Gelächter, manch­mal aber auch zu bit­ter­er Selb­stre­flek­tion.

Was nicht auss­er Acht gelassen wer­den darf, ist die unglaubliche Riege von Schaus­piel­ern, welche das Ensem­ble kom­plet­tieren, darunter Chris Coop­er, Mar­go Mar­tin­dale, Bene­dict Cum­ber­batch, Ewan McGre­gor und Abi­gail Bres­lin. Meryl Streep und Julia Roberts haben als antag­o­nis­tis­ches Mut­ter-Tochter-Duo eine geniale Chemie. Sowohl Streep als auch Roberts wur­den für den Gold­en Globe und den Acad­e­my Award nominiert; der gesamte Cast gewann am Hol­ly­wood Film Fes­ti­val den Preis als Ensem­ble des Jahres.

Was mit diesem Film gelun­gen ist, ist eine ein­dringliche, manch­mal schmerzhaft pein­liche und berührende Aufar­beitung von Kom­p­lika­tio­nen, wie sie nur inner­halb ein­er Fam­i­lie entste­hen kön­nen. Es wird nicht nur gezeigt, wieso wir nicht wie unsere Müt­ter und Väter sein wollen, und wie wir diesem Schick­sal nie ganz entrin­nen kön­nen. Es wird auch aufge­fordert, dass wir uns öfters mal hin­set­zen und uns fra­gen, wieviel Ver­ständ­nis wir für die Schwächen ander­er auf­brin­gen, und wohin uns das führt.

«August: Osage Coun­ty». USA 2013. Regie: John Wells. Länge: 121 Minuten.

Foto: zVg.
ensuite, Feb­ru­ar 2014

Artikel online veröffentlicht: 25. Mai 2019