• zurück

Balada Triste de Trompeta

Von San­dro Wied­mer — Dass er für sein neustes Werk, den ersten Film, für den er auch das Drehbuch selb­st geschrieben hat, am let­ztjähri­gen Film­Fes­ti­val von Venedig mit dem sil­ber­nen Löwen aus­geze­ich­net wurde, und auch den Osel­la für das beste Drehbuch ent­ge­gen­nehmen kon­nte, hat­te der über­glück­liche Álex de la Igle­sia wohl nicht zulet­zt dem Jury-Präsi­den­ten zu ver­danken: Quentin Taran­ti­no war begeis­tert, was nicht weit­er über­rascht: Alles an diesem Streifen ist dick aufge­tra­gen, von der Schminke der Clowns über die Gewalt hin zu Lei­den­schaft und Pathos, und überdies ist er rand­voll mit Zitat­en und Ver­weisen aus der (Film-)Geschichte. Er habe mit «Bal­a­da Triste de Trompe­ta» einen Schmerz, eine Wut aus sein­er Seele ver­ban­nen wollen, sie mit einem grotesken Witz ver­nicht­en, der andere gle­ichzeit­ig zum Lachen und zum Weinen brin­gen solle.

In der Tat kann das opu­lente Werk allein vom Zuse­hen weh tun, ver­stören, gle­ichzeit­ig abstossen und betören. Gle­ich zu Beginn wird dabei der Massstab geset­zt, wenn 1937, in den let­zten Tagen des Bürg­erkriegs, Milizen während ein­er Clown-Num­mer in einen Zirkus ein­drin­gen, und sämtliche Män­ner im wehrfähi­gen Alter auf der Stelle rekru­tieren und bewaffnen, um draussen gegen die Frankisten zu kämpfen. So kommt es, dass ein mit ein­er Machete bestück­ter Clown in Voll­montur wie eine wilde Bestie ein Gemet­zel unter den geg­ner­ischen Sol­dat­en anrichtet, bevor er gefan­gen genom­men wird. Sein Sohn wird ihn zwar befreien, auf der Flucht kommt er jedoch zu Tode.

Die eigentliche Hand­lung set­zt dann 1973 ein, während der Dik­tatur Fran­cos. Der nun erwach­sene Sohn ist in die Fussstapfen von Vater und Gross­vater getreten, und heuert als weis-ser Clown bei einem Zirkus an, wo er auf eine Rei­he skur­ril­er Gestal­ten trifft: Eine men­schliche Kanonenkugel, einen Ele­fan­ten­domp­teur, ein ständig stre­i­t­en­des Paar mit dressierten Hun­den – und auf seinen Gegen­part in der klas­sis­chen Clown-Kon­stel­la­tion, den dum­men August. Dieser ist mit ein­er wun­der­baren Artistin liiert, in die er sich auf Anhieb ver­guckt.

So nimmt das Unheil seinen Lauf, denn der dumme August-Darsteller Ser­gio ist nicht nur krankhaft eifer­süchtig, er neigt auch, vor allem betrunk­en, zu exzes­siv­er Gewalt­tätigkeit. So muss auch der anfänglich scheu und zurück­hal­tend auftre­tende weisse Clown Javier immer mal wieder mit anse­hen, wie der besof­fene Ser­gio seine Ange­betete ver­prügelt, bis ihm eines Tages der Kra­gen platzt und er der Verehrten zu Hil­fe eilt, was die Geschichte kom­pliziert macht, denn ein­er­seits macht die schöne Natalia dem schüchter­nen Javier schöne Augen, ander­er­seits scheint sie sich aber an der Gewalt­tätigkeit Ser­gios nicht zu stören, ja, sie auf eine per­verse Art ger­adezu her­auszu­fordern. In der Folge begin­nen also die bei­den Clowns, welche um die selbe Frau buhlen, einen erbit­terten Kampf auf Leben und Tod um die Gun­st der attrak­tiv­en Akro­batin.

Es fällt nicht schw­er, in der Geschichte eine Alle­gorie des gebür­ti­gen Basken Igle­sia für seine spanis­che Heimat zu sehen, umso mehr, als er zum Teil die geschichtlichen Bezüge gle­ich sel­ber set­zt. So wird zum Beispiel das Atten­tat auf Car­rero Blan­co insze­niert, welch­er 1973 bei einem Atten­tat der ETA ums Leben kam. Nicht nur «die rechte Hand» Fran­cos kommt im Film vor, auch der Dik­ta­tor selb­st hat seinen Auftritt in ein­er witzi­gen Szene, in welch­er eine Jagdse­quenz aus «La Règle du Jeu» von Jean Renoir zitiert wird. Das über 20 Minuten lange, völ­lig über­drehte Show­down schliesslich spielt sich beim National­mon­u­ment des Heili­gen Kreuzes im Tal der Gefal­l­enen ab, dem bedeu­tend­sten architek­tonis­chen Sym­bol des spanis­chen Faschis­mus, wo Fran­co und der Grün­der der Falangis­ten-Bewe­gung José Anto­nio Pri­mo de Rivera begraben liegen. Das über 150 Meter hohe Kreuz übern­immt dabei die Rolle, welche dem Mount Rush­more in Hitch­cocks «North by North­west» zuteil wird. Um sämtliche der­ar­ti­gen Ver­weise zu erken­nen wäre wohl die gründliche Ken­nt­nis der Geschichte Spaniens erforder­lich, doch der Film funk­tion­iert auch als reines Spek­takel, ohne diesen Hin­ter­grund, vorzüglich.

«Bal­a­da Triste de Trompe­ta», Spanien/Frankreich 2010, Regie: Álex de la Igle­sia, Länge: 107 Minuten.

Foto: zVg.
ensuite, August 2011

 

Artikel online veröffentlicht: 14. Februar 2019