Von François Lilienfeld - Es ist schon fast eine Binsenwahrheit, wenn man von der hohen Qualität der Kataloge, die von der Beyeler-Stiftung in Riehen publiziert werden, schreibt. Auch bei der Balthus-Austellung, die noch bis zum 1. Januar 2019 zu sehen ist, beeindruckt sowohl die Qualität der Reproduktionen wie der Kommentare. Raphael Bouvier, der Herausgeber, hat großartige Arbeit geleistet und erstklassige Mitarbeiter um sich geschart.
Und gerade bei Balthus sind die Kommentare außerordentlich wichtig, gehört er doch zu den umstrittenen, ja skandalträchtigen Künstlern. Seine oft provokativen Bilder von jungen und sehr jungen Mädchen haben schon immer zu Diskussionen Anlass gegeben und sind in der heutigen, von Kindesmissbrauch leider stark geprägten Zeit, besonders umstritten. Ausstellung und Katalog können eine wichtige Rolle in der Erklärung von Balthus’ Haltung und zu seiner Entlastung spielen.
Balthus war fasziniert von der erwachenden Sinnlichkeit, vom Übergang zum Erwachsenwerden. Seine Mädchen können provokativ erscheinen; ihre Haltung jedoch ist frei von Berechnung, sie sind sich ihrer erwachenden Sexualität wohl kaum bewusst; sie erleben sie einfach — oft als Belastung. Wie Michiko Ono im Katalog schreibt (S. 115): „Balthus’ Darstellungen heranwachsender Mädchen bergen eine charakteristische Spannung, die zwischen Unschuld und Erotik oszilliert.“
Interessant ist, dass Balthus ebenso von Katzen fasziniert war; wer jemals mit diesen Tieren Kontakt hatte, weiß, dass sie in gewissem Sinne Sinnlichkeit personifizieren. Auch das bei ihnen so oft zu beobachtende „dolce far niente“, die totale, schlafende Entspannung, findet man bei den Modellen des Künstlers oft.
Balthus war im Kontakt mit seinen Modellen äußerst rücksichtsvoll; und er hat sich ihnen gegenüber nie etwas zuschulden kommen lassen.
Der Maler wurde am 20. Februar 1908 in eine Künstlerfamilie geboren. Seine Mutter, Else Spiro, besuchte die Kunstschule in Breslau, sein Vater, Erich Klossowski, war Doktor der Kunstgeschichte. Der Künstlername Balthus leitet sich vom Vornamen Balthasar ab.
Die Schweiz spielte im Leben des Künstlers eine große Rolle: Bern, Genf und Beatenberg waren regelmäßige Aufenthaltsorte. Die Heirat mit Antoinette de Watteville wurde 1937 in der Bundeshauptstadt gefeiert. Und seine letzten 34 Lebensjahre verbrachte Balthus in einem „Grand Chalet“ in Rossinière bei Château-d’Oex, einem ehemaligen Hotel. Er starb dort am 18. Februar 2001.
Die Riehener Ausstellung zeigt verdienterweise auch weniger bekannte Aspekte des Künstlers: seine Porträts, die großartigen Landschaften und Straßenszenen. Ein ungewöhnlicher, eigenwilliger, im besten Sinne origineller Künstler wird vorgestellt – ein großer Gewinn für die Kunstszene.
Eine kleine Korrektur sei mir erlaubt: Der auf S. 154 erwähnte Ernest Ansermet, der die Familie zeitweise beherbergte, war nicht Komponist, sondern Dirigent.
Bild: Balthus, Le Roi des chats, 1935, Öl auf Leinwand, 78 x 49,7 cm
Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne, Schenkung der Fondation Balthus Klossowski de Rola, 2016 © Balthus
Pressefoto: Etienne Malapert, Musée cantonal des Beaux-Arts de Lausanne