Von Walter Rohrbach — Das 11. BeJazz Winterfestival in den Hallen wo früher Kassenschränke und Registraturanlagen hergestellt wurden. Nun dringt aus den Vidmarhallen kein Produktionslärm mehr sondern vom 19. bis 22. Januar vorwiegend einheimischer Jazz.
An vier Januartagen ist es wieder soweit: In den Berner Vidmarhallen findet das BeJazz Winterfestval statt. Akteure sind fliegende Hildegards, geigender Tobias, schlagzeugspielender Dominic, estnische Ingrid, singende Sidsel und, ja, Holunderblüte gibt es auch noch. Veranstaltet wird das alljährlich stattfindende Winterfestival vom Verein BeJazz, welcher Wert auf die Förderung von Talenten legt. So findet sich im Programm Platz für junge Musikerinnen und Musiker ebenso wie die Stars der Schweizer Jazzszene.
Eröffnet wird das Festival, das jeweils bis zu 1’000 Jazzmusikbegeisterte anzieht, von zwei jungen Trios: dem FM Trio, sowie Pedra Preta. Dabei nutzt das FM Trio die Gelegenheit seine neue CD «objects and animals» zu taufen. Das Ensemble, das bereits seit 2004 Konzerte gibt, spielt Eigenkompositionen und bewegt sich zwischen freier Improvisation und bewussten kompositorischen Vorgaben. Die Bühne nutzen die drei jungen Musiker als Katalysator für überraschende Hörerlebnisse. Das musikalische Repertoire der Drei reicht von der zeitgenössischen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts über den wilden 60er-Jahre Jazz bis hin zum Avantgarde-Pop und elektroakustischer Experimentalmusik. Interessant ist die Zusammensetzung des zweiten Trios, Pedra Preta. Mit Musikern aus Brasilien, Italien und der Schweiz ist das Trio ein internationaler Mix. Das Dreiergespann hat sich in der alternativen Musikszene von Salvador de Bahia kennengelernt und spielt einen von Leichtigkeit und energetischen Grooves geprägten Brazil Jazz.
Am Freitag sorgen Bands mit kreativen Namen für ein jazziges Ambiente: «Holunderblüten» und «Hildegard lernt Fliegen» sind bekannt für überraschende Klänge. Farbenfroh ist nicht nur das Cover des Albums, welches am BeJazz Festival getauft werden soll, sondern auch die schrägen Kompositionen des helvetischen Sextetts Hildegard lernt Fliegen. Wie leichtfüssig sich die sechs Herren mittels ihren satten Bläserlinien zum Abflug bereit machen, kann um 21.45 Uhr in der Vidmarhalle 1 im Feldexperiment beobachtet werden. Das Trio Holunderblüten aus der Romandie bewegt sich musikalisch zwischen rohem Folk und Jazz. Es «überrascht durch humorvolle Dramaturgie, intelligentes Zusammenspiel und erstaunliche Tiefe im konzentrierten Spiel», so ein Porträt der Band.
Am Samstag stehen die Namen Tobias und Dominic im Vordergrund. Das Trio Dominic Eglis Plurism um den Schlagzeuger und Klangsammler Dominic Egli präsentiert um 20.00 sein Debutalbum «Untitled Yet»: Jazz, Improvised Music und afrikanische Folklore werden zusammen verschmelzt. Danach folgt um 21.45 ein Geiger, der es in sich hat. Tobias Preisig präsentiert Auszüge seiner neuen CD in der Vorpremiere: «In Transit» ist der Titel der neuen CD, mit in Polycarbonat gebranntem urbanem und expressivem Sound. «In Transit» ist ein zeitgenössisches Jazzalbum, das den selten vertonten Raum zwischen Melancholie und Experiment auslotet.
Den Abschluss der viertägigen, vorwiegend Schweiz-geprägten Jazzreise bilden zwei ganz unterschiedliche Sängerinnen: Die Norwegerin Sidsel Endresen und die in der Schweiz lebende Estin Ingrid Lukas. Sidsel Endresen wurde vom Berner Duo Werner Hasler / Jan Galega Brönnimann zum Festival-Konzert eingeladen. Das Zusammentreffen mit der Norwegerin verspricht eine spannende Reise zu werden. Ihre ausserordentliche Stimme, begleitet mit Trompete und Bassklarinette, führt zu songhaften Bildern. Bereits 2010 hat Ingrid Lukas vor einem kleinen Publikum im BeJazz Club ein Konzert gegeben, und offensichtlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie kommt wieder, und zwar für das Abschlusskonzert am Sonntag. Allerdings nicht alleine. In einer vergrösserten Version wird ihre Band um einen 10-köpfigen Chor erweitert, was neue Klang-Facetten ermöglicht und das Folk-Element zusätzlich verstärkt. In diesem Sinne: geht in den kalten Januartagen in die Vidmarhallen und werdet «BeJazzed».
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2012