Von Lukas Vogelsang — Eine wunderliche Filmdokumentation über das Reisen hat der junge Walliser Gaël Métroz (1978) gefilmt. Und wie jede Reise beginnt sie mit einer Idee, einem Gedanken, einem Traum. Die Illusion verführt. Bevor man sich allerdings auf den Weg macht, sollte man verstehen, dass kein Ort auf dieser Welt zweimal der gleiche Ort ist. Die Einzigartigkeit liegt immer nicht nur örtlich, sondern auch im Moment.
So liess sich Gaël Métroz von Nicolas Bouvier (1929 – 1998) inspirieren. Jener galt als einer der ersten wichtigen Reise-Dokumentaristen der Schweiz. 1929 in Grand Lancy in der Nähe von Genf geboren, beschloss er, mit einem «Topolino» von Genf nach Sri Lanka (durch Jugoslavien in die Türkei, durch den Iran, Pakistan, Afghanistan, Indien,…) zu fahren – ohne zu wissen, wann er je wieder zurückkommen würde. Ein verrücktes Projekt, welches er in seinem ersten Buch «L’Usage du Monde» beschrieb. «Reisen ist keine unschuldige Aktivität (…) Aber alle, die einmal so ein Dasein führten, würden einen Finger von jeder Hand geben, um dies eines Tages nochmals erleben zu dürfen: Es ist ein Erlebnis, das man so nie ersetzen kann.» (Zitat: Nicolas Bouvier)
Und so machte sich Gaël Métroz selber auf die gleiche Reise. Zwar ohne Topolino und statt mit einfachem Tagebuch mit Kamera- und Tongeräten und, um einiges praktischer, mit dem Zug. Doch sein Weg kommt bald von der Illusion fort. Die Erfahrungen von Nicolas Bouvier lassen sich nicht wiederholen, zum Teil nicht mal im Ansatz erkennen. Die Zeit hat die Orte verändert und die alte Magie ist gewandelt. Während des Films zeigt sich immer deutlicher, dass Gaël Métroz sehr minimal auf die Reise vorbereitet war. Die Faszination des Reisens hat wohl zu sehr geblendet. Mit einer rührenden Naivität spaziert er in die Welt hinaus und kann in einigen Städten nicht mal aus dem Hotelzimmer, weil die Realität der Taliban Angst macht. Er spaziert unvorbereitet über einen Gletscher oder taumelt in Wüstengebieten herum. Viel Glück begleitet den jungen Entdecker, denn jedes Mal wird er gefunden, findet er Anschluss oder wird versorgt. Groteskerweise findet er seine Heimat jeweils bei Nomaden, die selber umherziehen und nichts besitzen. Groteskerweise sucht Métroz fast verzweifelt eine Heimat, nicht den Weg, kann aber alleine kaum stehen bleiben, versucht sich in anderen Kulturen zu integrieren, um in der nächsten Sequenz rastlos seine Suche fortzusetzen. Die Bilder werden dadurch eindrücklich nahe und fast nebensächlich, mit viel Intimität. Es entsteht ein Sog durch die Art Voyeurismus, den Gaël Métroz wohl ebenso erlebt hat. Eine Erzählerstimme liest aus seinem Tagebuch, welches wohl an vielen Stellen beschönigt oder dramatisiert wurde. Die Bilder sind allerdings von faszinierender Qualität, und wenn man bedenkt, dass Métroz alleine unterwegs war, so beeindruckt das doppelt.
Trotzdem, irgendwie mag das Ganze als Film nicht richtig greifen. Zum Schluss bleibt nur die grundlegende Erkenntnis, dass man eine solche Reise nie wiederholen kann und besser seinen eigenen Weg sucht, statt eine Leitfigur kopieren zu wollen. Bouvier hatte seine Idee und seine Erfahrungen in Reisejournalismus umgesetzt. Das Reisen wurde Mittel zum Zweck. Bei Gaël Métroz ist es beim persönlichen Reisen geblieben, doch für uns Zuschauer eröffnet sich daraus eine eigene Erkenntnis.
Ab 15. Januar im Kino.
Foto: zVg.
ensuite, Januar 2009