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Biedere, gemütliche Neidhammel

Von Lukas Vogel­sang - Der Möchte­gern­som­mer ist für Medi­en sich­er nicht ein­fach. Da die Nachricht­e­na­gen­turen ferienbe­d­ingt, eben­falls reduziert, wichtige und unwichtige Agen­turmel­dun­gen ver­bre­it­en, müssen unsere Jour­nal­istIn­nen sel­ber ans Werk. Das kann übel sein — vor allem wenn diese aus der Übung gekom­men sind und man wün­scht sich zuweilen die ver­flucht lang­weili­gen Agen­turen wieder zurück an den Arbeit­splatz.

So hat «Der kleine Bund» vom 14. Juli eine wun­der­bare Som­mer­fül­lidee gehabt und füllte die Beilage mit dem The­ma: «Unsere kleine Stadt». Und natür­lich ist damit Bern gemeint und natür­lich dreht sich alles um den Ver­gle­ich mit Zürich. Aber dem nicht genug: Die Diskus­sion ist vom Chefredak­tor Arthur K. Vogel sog­ar sel­ber angezettelt und geschrieben wor­den — einem Luzern­er, der seit Anfang dieses Jahres in Bern wohnt. Ein­er eben, der das Duell der Bern­er gegen die Zürcher noch nicht miter­lebt hat oder eben dann nur am Rande. Was er sich­er mit­bekam, ist, dass die Reak­tio­nen Bern-Zürich und dann retour Zürich-Bern ganz gut für Diskus­sion­sstoff sor­gen. Einzig, der Rückschlag aus Zürich ist meis­tens um ein Höl­lis­ches tiefer unter der Gürtellinie — und nie­mand wagt sich dage­gen­zstellen, wohlweis­lich, dass der Funken Wahrheit eine Flamme ist und es bess­er ist, zu schweigen… Bern ist unverbesser­lich selb­st­be­sessen. Nei­disch sind wir, weil uns die lockere Art der Zürcher nicht bekommt, nei­disch sind wir, weil die Welt in Zürich stat­tfind­et und nicht hier in unserem ach so gemütlichen Nest. Der Tod von Bern heisst Klein­denken, Poli­tik und Medi­en. Wir sind (und das ohne Wer­tung) eine Beamten­stadt und keine Fir­men­hochburg. Wer in Bern etwas sein will, muss erst die gnaden­lose Attacke von gel­tungssüchti­gen Kar­ri­ere­beamten über­leben oder aber mit den Medi­en­häuser ver­ban­delt sein — denn in unserem Zürcher Medi­en­haus wird nur über «Gekauftes» geschrieben.

Tja, was für ein Vogel also. Unklar­er wird das Ziel von «Unsere kleine Stadt». Soll es eine Plat­tform für lechzende Zürcher Jour­nal­is­ten sein? Ist es die Ein­ladung, uns im August in Olten zum Kan­tön­lidu­ell zu tre­f­fen? Oder sollte es tat­säch­lich die Bern­er motivieren, stolz über ihre ver­filzte Bau­grube zu sein? Der Chefredak­tor Vogel stüpft sich gle­ich sel­ber ins Luzern­er Füdli, wenn er Jean-Mar­tin Büt­tner (vom «Tage­sanzeiger») neben seinem Artikel schreiben lässt: «Von den Zürchern sind solche Abfäl­ligkeit­en sel­ten zu hören — aus dem ein­fachen Grund, dass sich diese gar nicht für Bern inter­essieren.» Man kön­nte friv­ol anhän­gen: Den Bern­er inter­essiert es auch nicht.

Die Kom­mune Bern wird Vogel mit diesem Artikel kaum gewin­nen kön­nen. Denn irgend­wann — bestens bemüht, das Sand­stein­lager in einem guten Licht erscheinen zu lassen — ver­fällt er sel­ber in einen Anti-Bern­er-Släng, redet von «gestörtem Ver­hält­nis», wenn’s um den Verkehr geht, dass es «ihm den Hut lüpft», dem Bern­er, und dass diese «rät­sel­haft» über das Road­pric­ing nach­denken. Da redet der Chefredak­tor vom «Bund» über Abfälle und Strassen­poller und meint wohl, damit einen Zürcher beein­druck­en zu kön­nen oder dem Bern­er die Brusthaare zu polieren. Ich kann mir auch schlecht vorstellen, dass man sich in Zürich dafür inter­essiert, ob wir in der Buslin­ie 11 und 21 Platz haben oder nicht.

Vielle­icht täten die von Vogel abgew­erteten Zürcher «Pri­vatisierungs­fetis­chis­ten» Bern ganz gut. Je mehr man seinen Artikel liest, umso klar­er wird einem, dass der Arthur K. Vogel Bern nicht gern hat. Er lebt hier wegen der Arbeit — eine Art Zwangs­ge­mein­schaft -, aber mehr hat er hier nicht ver­loren. Oder wie einst ein Mil­itärof­fizier vor meinem Rauswurf der grü­nen Insti­tu­tion beizubrin­gen ver­suchte: «Du bist kein­er von uns und wirst es nie wer­den!» Ich war dankbar und stolz darauf — es scheint, der Vogel auch.

Aus der Serie Von Men­schen und Medi­en
Car­toon: www.fauser.ch
ensuite, August 2007