Von Barbara Roelli
Was isch es Sandwich ohni Fleisch?
– s’isch nüt als Brot.
Was isch es Sandwich ohni Brot?
– s’isch nüt als Fleisch.
So beginnt Mani Matters Lied «Betrachtige über es Sandwich». Diese scheinbar einfache Erkenntnis verarbeitet der Berner Chansonnier in seinem Lied; dreht und wendet sie, bis das Sandwich vielschichtig ist – denkt man an alles, was es zu beachten gilt, dass ein Sandwich auch wirklich eines ist:
Und zwar isch’s wichtig,
dass du Folgendes ou weisch
S’gnüegt nid dass du’s Brot eifach
underleisch em Fleisch.
S’brucht eis Brot undefür, versteisch
Und eis wo d’obe drüber leisch
Nume we d’so dra häre geisch
Überchunnsch es Sandwich
(eis mit Fleisch).
S’problem vom Anke chäm das stimmt
de no derzue.
S’geit drum ne ja nid uf di lätzi Site z’tue.
Mani Matter betrachtet das Sandwich und seine Teile, die einer bestimmten Ordnung unterliegen und macht es so zum wissenschaftlichen Objekt. Was nun folgt ist ein Blick auf das – oder vielmehr in das – Sandwich aus kulinarischer Sicht: Das Sandwich ist ein schneller, unkomplizierter Imbiss, der weder nach Messer noch nach Gabel verlangt. Das Sandwich soll vor allem eines: Den Hunger stillen, auch wenn man fürs Essen kaum Zeit hat. Dies scheint auch die Idee des Erfinders gewesen zu sein; glaubt man der Legende über John Montagu, den vierten Earl of Sandwich. Dieser war ein britischer Staatsmann und sei angeblich ein passionierter Kartenspieler gewesen. 1762 soll er den handlichen Imbiss erfunden haben, um bei einem stundenlangen Spiel den Tisch nicht verlassen zu müssen. Er habe sich das Essen in zwei Brotscheiben legen lassen. Laut Wikipedia gibt es noch eine andere Version: John Montagu soll das Sandwich erfunden haben, um seine Schreibtischarbeit nicht unterbrechen zu müssen. Und: Das ursprüngliche Sandwich habe aus einer Scheibe Rindfleisch zwischen zwei Scheiben Toastbrot bestanden.
Brot – Fleisch – Brot. Das System des Sandwichs gleicht einem Baukasten: Ob Fleischtiger, Käseliebhaber, Eierfan, Antipasti-Freak oder Gemüsevergötterer – ein Sandwich bietet die Plattform zur kulinarischen Selbstverwirklichung, denn alles ist mit allem kombinierbar; Käse mit Konfitüre, Speck mit Scampi und Erdbeeren mit Entenbrust. In die Füllung kommt, was der Zunge gefällt, der Nase passt und das Auge erfreut – obwohl: Nicht immer freut, was unter dem Deckel eingeklemmt liegt. Denkt man etwa an die Scheiben vom Stangenei; mit dem blassgelben Eigelb und der schwammartigen Konsistenz… Das in der Industrie hergestellte Stangenei hat den Vorteil, dass die Scheiben immer gleich viel Eigelb und Eiweiss enthalten. Die natürliche Form des Eis, bei der es eben auch Endstücke ohne Dotter gibt, fällt weg: Das Ei gibt’s am Meter – leider bleibt dabei der Geschmack auf der Strecke…
Aber zurück zum Sandwich: Zu Beginn stellt sich erst einmal die Frage nach dem Brot und dessen Form: Bevorzugt man ein rundliches Brötchen, was sich bei einem Hamburger oder runden Lyonerscheiben als Füllung fast aufzwängt? Oder eignet sich ein Baguette besser, um die gewünschten Zutaten der Länge nach zu verteilen? Wie füllt man eigentlich eine Brezel geschickt, mit all ihren teiglosen Zwischenräumen? Dazu kommt die Entscheidung, ob man Laugen- oder Ruchbrot für sein Sandwich möchte oder lieber das mit zehn verschiedenen Körnern… Ballaststoffe kontra Weissbrot? Ist die Frage ums richtige Brot einmal vom Tisch, geht’s darum, was darauf gestrichen wird: Die klassische Butter? Mayonnaise à la française, mediterranes Pesto oder den mexikanischen Avocado-Dip Guacamole? Mit der Wahl des Brotaufstrichs gilt bereits zu bedenken, was denn die eigentliche Füllung des Sandwiches ist: Kommt Käse, Fisch oder Fleisch ins Brot? Welches Gemüse harmoniert dazu? Kommt dieses roh oder gekocht ins Sandwich? Oder ist es in Öl eingelegtes Gemüse, das eine neue Geschmackskomponente mitbringt? Würden bestimmte Kräuter die Füllung geschmacklich abrunden?
All diese Fragen zeigen, dass ein Sandwich doch etwas Komplexes ist. Dass die verschiedenen Bausteine nicht nur formal zusammenpassen, sondern auch geschmacklich harmonieren sollen…
Und Mani Matter singt zum Schluss in seinem Lied:
Und füllsch di Buch und wirsch nid gwahr,
Was im ne Sandwich uf dim Tisch
Für Dialektik drinnen isch.
Foto: Barbara Roelli
ensuite, Juni/Juli 2010