Von Ruth Kofmel — Gerade mal sechs Veröffentlichungen innerhalb von vier Jahren — darf man ein solches Plattenlabel überhaupt ins Rampenlicht rücken? Ich finde ja, wenn es sich dabei um Bonzzaj Recordings handelt — eine kleine Schweizer Exklusivität, mit Strahlkraft über die Landesgrenze hinaus.
Bonzzaj sind ein mehr oder weniger fester Zusammenschluss von Wallisern, die vor bald zehn Jahren ihren Heimatkanton etwas prickelnder für die Jugend gestalten wollten, und also eine Club-Nacht ins Leben riefen. Unregelmässig veranstalten sie bis heute Tanznächte, von Anfang an mit grossem Erfolg, an ungewöhnlichen Orten, wie in Schlössern oder Freibädern, und die einzige Linie, die sich durch das Ganze zieht — sie mögen alle Jazz.
Ich treffe mich mit Chris Studer, einem der Bonzzaj-Aktivisten und Hauptverantwortlicher für die Labelarbeit. Aber um es gleich vorne weg zu nehmen: Musik aufzuspüren, diese auf Vinyl zu pressen, hübsch zu verpacken und unter Menschen zu bringen, ist nur ein Teil des Bonzzaj-Aktivitäten-Kataloges. Sie kümmern sich eben auch um die erwähnten Party-Serien, darunter play more Jazz im Sous Soul in Bern oder der Bon Voyage Abend in der Cargo Bar in Basel. Ebenso um die Wiederaufnahme einer eigenen Radio-Sendung; waren sie früher bei Radio Rabe an den Reglern, ist jetzt ein Podcast von zu Hause aus geplant, und bald klettern sie in Rebbergen rum, um ihren hauseigenen Bonzzaj-Wein für das kommende zehnjährige Jubiläum zu lesen und zu keltern — als Walliser ist so ein eigener Rebberg natürlich nicht völlig abwegig. Ja, eigentlich machen die ja auch nicht viel anderes und anders als Berner oder Zürcher Musikbesessene, aber mit diesem sensationellen Akzent und dieser etwas hinter dem Berg haltenden, aber doch charmanten Art, bekommt das Ganze direkt einen exotischen Touch. Ich weiss nicht einmal sicher, ob man den Wallisern eine besondere Sturheit nachsagt, es ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen, dass bei ihnen nur ganz genau das gemacht wird, was ihnen Freude macht. Sie bewegen sich nach dem Lustprinzip durch die Musikwelt — oberstes Gebot ist, Genregrenzen nach Möglichkeit zu übersehen und bei diesem in alle Richtungen gleichzeitig Gucken, ergibt sich ein breites aber in sich stimmiges Spektrum. Gemeinsamer Nenner ist also der Jazz, der sich auch in der Namensgebung niedergeschlagen hat, aber das heisst nun noch lange nicht, dass Jazz auf diesem Label zu finden ist. Vielmehr ist es die zeitgenössische, tanzbare Weiterentwicklung des Jazz, das heisst: Begriffe wie Broken Beat, Down Tempo, Hip Hop, House, Afro Beat oder sogar Techno beschreiben den Labelsound wohl treffender und damit ist auch klar, dass sich dieses Label nicht an einer Stilrichtung festmachen lässt, sondern Freude an den grossen Bögen hat, die es in der Musik zu schlagen gibt. Und natürlich; betrachtet man es von der Musikgeschichte her, entwickelten sich alle diese Stilrichtungen aus diesem einen grossen Strom des Jazz oder sind mit diesem verlinkt.
Wie jedes kleinere und unabhängige Label hat auch Bonzzaj nicht die Möglichkeit, mit der grossen Kelle anzurichten, aber trotzdem gelang ihnen bereits mit ihren paar wenigen Veröffentlichungen der eine oder andere gelungene Streich. Die vor kurzem veröffentlichte EP des Berner Kollektivs Jagged verkaufte sich so gut, dass die Produktion selbstragend war; eher eine Seltenheit heutzutage. Schön auch, dass ein bei ihnen erschienener Künstler wie Dorian Concept sich mittlerweile in der Szene einen Namen erspielt hat, was dem Label jetzt rückwirkend zu Gute kommt. So ist das Netzwerk einmal mehr das allerwichtigste, gerade für Musik weg vom Mainstream, und es erstaunt darum nicht, dass es Chris zufolge alles Freunde sind, die auf ihrem Label veröffentlichen — oder spätestens bei der Zusammenarbeit zu Freunden werden. Speziell an diesem Label sind sicherlich auch die guten Kontakte ins Ausland, so sind Musiker aus Österreich, Frankreich oder Amerika mit dabei. Zwar erschwert gerade das die Arbeit, weil eine Förderung von Stadt oder Kanton meist nur dann möglich ist, wenn die Künstler hauptsächlich aus der Schweiz stammen. Glücklicherweise setzen sich aber Leute wie Chris darüber hinweg und versuchen, die Musik, die sie gerne eingefangen wissen, aufzufinden — egal wo. Der im elektronischen Bereich eher kleinen Schweizer Musikszene tut eine Vernetzung mit den grösseren Umschlagplätzen im Ausland sicherlich gut. Schlussendlich ist es bestimmt nicht unmöglich, mit dieser Philosophie der Unabhängigkeit und der Maxime, dem treu zu bleiben, was einem gefällt, Erfolg zu haben — Labels wie Ubiquity oder Stones Throw zeugen davon.
Chris geht es demzufolge auch nicht darum, möglichst illustre Namen auf seinem Label zu wissen, vielmehr ist er begeistert von der Idee, Neues zu entdecken und dem eine Plattform zu geben. Er und seine Mitstreiter sind fasziniert davon, ihre Lieblingsmusik — so unterschiedlicher Herkunft die auch sein mag — zusammen zu bringen und unter die Leute. Er sagt treffend, dass sie ja nicht müssen, aber eben können. Und auch wenn sie sich immer mal wieder fragen, warum sie so viel Arbeit, die ja ganz und gar nicht nur aus Spassigem besteht, auf sich nehmen, landen sie doch immer wieder bei der simplen Antwort, dass sie es aus Freude am Resultat tun und dass sie wohl Musikliebhaber der engagierteren Sorte sind.
Info: www.bonzzaj.ch
Foto: zVg.
ensuite, Juni/Juli 2010